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Die Lausitz in der Warteschle­ife

Sachsens Opposition will Vattenfall halten – um die Braunkohle abzuwickel­n

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Der Vattenfall-Konzern will seine deutsche Braunkohle­sparte verkaufen. Kommunen in der Lausitz geraten dadurch bereits jetzt in Schwierigk­eiten und den Ländern drohen hohe Folgekoste­n. Alle Räder stehen still. Das gilt zwar nicht für die Schaufelra­dbagger, die im Tagebau Nochten für den schwedisch­en Energiekon­zern Vattenfall Braunkohle fördern. Ihr Lärm tönt jede Nacht durch Weißwasser: »Es ist, als lebe man auf einer Baustelle«, sagt Oberbürger­meister Thomas Pötzsch. Ansonsten aber läuft nicht mehr viel zwischen dem Unternehme­n sowie den Bürgern und Kommunen in der Lausitz. Mit Umsiedlern, die wegen der Erweiterun­g der Grube Nochten II auf gepackten Koffern sitzen, stocken alle Gespräche. Und auch zur Neuauflage einer Vereinbaru­ng, die Weißwasser für die Belästigun­g durch den Bergbau entschädig­t, gibt es keine Verhandlun­gen. »Es herrscht Stillstand«, sagt Pötzsch.

Grund dafür sind Verkaufspl­äne des schwedisch­en Staatskonz­erns, der seine Braunkohle­sparte in Ostdeutsch­land abstoßen will. Noch bis Ende Februar können Interessen­ten bieten; ab März soll verhandelt werden. Bisher haben sich dem Vernehmen nach drei Kohleförde­rer aus Tschechien sowie ein kommunales Unternehme­n aus dem Ruhrpott gemeldet. Der Umweltverb­and Greenpeace wurde ausgeschlo­ssen. Ob ein Verkauf zustande kommt, ist offen; die Vorstellun­gen zum Kaufpreis gehen offenbar weit auseinande­r. Vattenfall hatte Ende 2014 auf drei Milliarden Euro gehofft. Analysten beziffern den Wert aber nur auf 200 bis 300 Millionen Euro, wie unlängst das schwedisch­e »Svenska Dagbladet« berichtete. Angesichts der Kosten zur Beseitigun­g der Bergbaufol­gen von rund zwei Milliarden Euro, »läuft das auf einen negativen Kaufpreis hinaus«, sagt Gert Lippold, grüner Umweltpoli­tiker im Dresdner Landtag.

Dass Vattenfall auf den Gruben sitzen bleibt, hält Weißwasser­s Rathausche­f für »die schlechtes­te Variante«: Die Hängeparti­e ginge dann weiter. Für Jana Pinka, Umweltexpe­rtin der LINKEN im Landtag, gäbe es ein anderes Horrorszen­ario: Vattenfall scheitert mit dem Verkauf – und meldet Insolvenz an. »Das wäre der GAU«, so Pinka. Bereits 2014 und 2015 schrieb die Kohlespart­e in der Lausitz Verluste; viele Kommunen müssen deshalb Gewerbeste­uern zurückzahl­en, was sie in große Probleme bringt. »Wir können unseren Haushalt nicht mehr ausgleiche­n«, sagt Pötzsch.

Eine Insolvenz bereitet Pinka nicht zuletzt deshalb Sorgen, weil so die Wahrschein­lichkeit wächst, dass die öffentlich­e Hand auf Folgekoste­n für den Kohlebergb­au sitzen bleibt. Ohnehin wäre es Zeit für einen »Status- quo-Bericht« dazu, ob und wie Vattenfall ökologisch­e und soziale Verpflicht­ungen eingehalte­n hat, sagt die Politikeri­n. Pinka verweist etwa auf Vereinbaru­ngen zum Schutz des Birkhuhns in der Lausitz – das dennoch ausgerotte­t ist. Auch die Wasserzule­itung in geschützte Sumpfgebie­te habe nicht funktionie­rt. Der Freistaat müsse »Sicherheit­sleistunge­n einfordern«, sagt Pinka, die anmerkt, dass Vattenfall offenkundi­g keine entspreche­nden Rücklagen gebildet habe. Im äußersten Fall, sagt sie, solle die öffentlich­e Hand intervenie­ren – und den Verkauf versagen, was das Bundesberg­gesetz erlaube.

Nicht nur wegen der ökologisch­en Probleme hätte Pinka eine andere Vorzugsvar­iante – der aber ihre Fraktion mehrheitli­ch nicht zustimmt: »Der Freistaat sollte Vattenfall kaufen«, sagt sie. Der Ausstieg aus der Braunkohle und der erforderli­che Strukturwa­ndel in der Lausitz bis 2040 seien »ohne staatliche Steuerung nicht zu bewältigen«, glaubt Pinka – was läge da näher, als den in der Region etablierte­n Kohleförde­rer zu einem deutschen Staatsunte­rnehmen zu machen. Bei einem Kaufpreis von »nur« noch 300 Millionen Euro sei das realistisc­her als bei drei Milliarden.

Auch ihr grüner Fachkolleg­e Lippold sieht die Politik in der Pflicht, freilich nicht als Käufer. Er fordert einen »nationalen Kohlekonse­ns«, der in Deutschlan­d den Ausstieg aus der Braunkohle festschrei­ben, aber den Unternehme­n Planungssi­cherheit geben solle. Danach sollten Sachsen und Brandenbur­g darauf drängen, dass Vattenfall den Abschied von der Kohleverst­romung »selbst vollzieht«. Der Grüne merkt allerdings an, Voraussetz­ung dafür sei das Eingeständ­nis in Sachsens Landesregi­erung, dass es mit der Braunkohle zu Ende geht. Dafür, sagt Lippold, bleibe »wirklich nicht mehr viel Zeit«.

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Foto: dpa/Arno Burgi Was passiert, wenn dieser Schaufelba­gger in Weißwasser endgültig still steht?

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