Per Mausklick für mehr Datenschutz
EU-Abgeordneter Sven Giegold will, dass sich Europa via Internet näher kommt
Was wissen Google und Co. über die Internetsurfer? Sind deren Daten genug geschützt? Via Internet wurde über solche Fragen diskutiert. »Abkürzungen sind bei uns verboten«, erklärt Sven Giegold der Sprecherin vom Verband EDRi gleich zu Beginn ihres Auftritts. In schnellen Worten stellt Kirsten Fiedler darum ihre Organisation mit dem vollen Namen European Digital Rights vor, ein Zusammenschluss mehrerer europäischer Bürgerrechtsorganisationen mit Sitz in Brüssel. Über Europa und die neue Datenschutzverordnung wird der Grünen Abgeordnete Giegold mit ihr und seinen anderen Gästen diskutieren. Das Besondere: die Gesprächsrunde ist ein technisches Experiment, um »Europa dichter an die Bürgerinnen und Bürger zu rücken«.
Der Moderator und seine Gäste saßen am Montagabend in verschiedenen Teilen Europas und waren nur über eine Webcam und Mikrofone miteinander verbunden. So auch die über hundert EU-Bürger, die der Einladung zur Teilnahme gefolgt waren. Auch sie konnten per Mausklick ihre Hand heben und in die Diskussion mit einsteigen. Denn Giegold will die Hürden zur Beteiligung an EU-Prozessen minimieren, darum auch keine Abkürzungen: »Hier sollen Menschen teilnehmen können, die nicht aus der Blase kommen.«
Einer, der in der digitalen Blase Zuhause ist, saß mit auf der virtuellen Bühne: Jan Phillipp Albrecht, Fraktionskollege von Giegold und Experte der Rechtsinformatik. Er hat als Verhandlungsführer für das EU-Parlament mit der EU-Kommission maßgeblich die neue Datenschutzverordnung geprägt. Der Film »Democracy – Im Rausch der Daten« zeigt auf ungewöhnlich ästhetische Weise wie er in europäischen Gremien kämpft.
»Der Einfluss durch Lobbyisten war enorm«, betont Albrecht. Dennoch ist er überzeugt von dem, was er zusammen mit seinen Mitstreitern erreicht hat. Bis zu vier Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes kostet eine Firma künftig ein Datenschutzverstoß. Außerdem kann nun ein Staat von anderen Mitgliedern zum Handeln gezwungen werden. So könnte man zum Beispiel das Datenparadies Irland knacken.
Auch Kirsten Fiedler von EDRi und der österreichische Datenschutzaktivist Max Schrems loben Albrecht für seinen Einsatz, Verbesserungsbedarf sehen sie dennoch. »Die Profilbildung ist überhaupt nicht geregelt«, erklärt Fiedler. »Google und Facebook wissen alles, was ich irgendwann einmal gemacht und gefühlt habe.« Mit diesen Daten entscheiden Computerprogramme schon jetzt, ob jemand einen Kredit bekommt oder wie hoch der Versicherungsbeitrag wird. Ein Unding für Datenschutzaktivisten.
Schrems aber weiß genau, wie schwer der Kampf gegen die Institutionen ist. Seine erfolgreiche Klage gegen das Safe-Harbor-Abkommen hat den Informationsaustausch der beiden Datenmächte EU und USA ins Wanken gebracht. Die pauschale Speichererlaubnis für sensible Kundendaten auf amerikanischen Servern ist nun illegal. Die langen Kämpfe vor irischen Institutionen wären mit der neuen Verordnung nicht mehr notwendig, dann sind die heimischen Gerichte zuständig. »Das ist, was wir wollen, dass mehr individuelle Klagen möglich sind«, meint Albrecht. Bis die Verordnung zum Gesetz wird, dauert es allerdings noch mindestens bis Mitte 2018. Davor hat sie noch einige EU-Gremien zu passieren, auf diesem Weg kann viel geschehen.
Für Sven Giegold waren der Abend und die Diskussionen über das »Webinar« ein Erfolg. Er überlegt, demnächst eine Veranstaltung auf englisch anzubieten, um noch mehr Menschen aus Europa die Teilnahme zu ermöglichen. Wenn sich das bewährt, sollte die EU über ein eigenes Instrument für Onlinebeteiligung nachdenken. Denn Datenschutz hin oder her: Dieses Mal lief die Anmeldung noch über einen Server in den USA, eigentlich ein unsicherer Hafen.