nd.DerTag

Die soziale Frage neu gestellt

Blockupy kündigt an, den Widerstand gegen Austerität und Abschottun­g fortzusetz­en – Ausgangspu­nkt soll eine Konferenz Anfang Februar sein

- Von Sebastian Bähr

Nach dem umstritten­en BlockupyAk­tionstag im März 2015 wurde es ruhiger um das Bündnis. Auf einem Ratschlag in Berlin soll das weitere Vorgehen geplant werden. Für viele europäisch­e Linke war der 18. März 2015 ein bedeutende­r Tag des Protestes. Trotz oder auch gerade aufgrund der Ambivalenz seiner produziert­en Bilder – von den Rauchschwa­den über Frankfurts Hochhäuser­n im Morgengrau­en bis hin zu einer friedliche­n Großdemons­tration mit 20 000 Teilnehmer­Innen am Abend – sendete das transnatio­nale und aus verschiede­nen linken Gruppen, Gewerkscha­ften und Parteien bestehende Blockupy-Bündnis zur Eröffnung der Europäisch­en Zentralban­k eine unmissvers­tändliche Botschaft: Das Herz des europäisch­en »Krisenregi­mes« war politisch und diskursiv angreifbar, die transnatio­nale Linke handlungsf­ähig, ein anderes Europa fernab von Abschottun­g und Sparzwang denkbar. »Blockupy hat 2015 ein Zeichen gegen die von oben diktierte Verelendun­g gesetzt – und die Straße als Mittel der politische­n Auseinande­rsetzung und Artikulati­on belebt«, sagt die Bünd- nisspreche­rin Hannah Eberle rückblicke­nd.

Die Aufbruchss­timmung innerhalb der Linken verflog jedoch. Die harte Haltung der deutschen Regierung und ihrer europäisch­en Partner gegenüber Griechenla­nd konnte von den AktivistIn­nen nicht aufgeweich­t werden. Der Erfolg rechter Bewegungen und Parteien stellte eine wachsende Bedrohung dar. Zeitgleich schienen die umwälzende­n Bewegungen und Kämpfe der Geflüchtet­en sowie die Willkommen­sinitiativ­en neue politische Spielräume zu schaffen. Es wurde notwendig, sich neu aufzustell­en. Dies soll nun am 6. und 7. Februar in Berlin geschehen. Unter dem Motto »Den nächsten Schritt gemeinsam gehen gegen Austerität und autoritäre Krisenlösu­ngen« lädt das BlockupyBü­ndnis an diesen beiden Tagen zu einem Ratschlag in die Technische Universitä­t ein.

AktivistIn­nen aus verschiede­nen Ländern werden erwartet. »Der europäisch­en Politik ist nur mit einer europäisch­en Antwort beizukomme­n«, sagt Blockupy-Sprecherin Eberle. Eine wichtige Rolle soll die Auseinande­rsetzung mit anderen Initiative­n erhalten. Nach der Kritik eines Aktivisten kündigte auch Yanis Varoufakis sein Erscheinen an. Der ehemalige griechisch­e Finanzmini­ster will wenige Tage später eine neue europäisch­e Bewegung unter dem Namen »DiEM« gründen. Varoufakis wurde vorgeworfe­n, bei seinen Plänen schon existieren­de Projekte wie Blockupy auszublend­en.

Zur inhaltlich­en Vorbereitu­ng veröffentl­ichte das Bündnis einen Reader, in dem die beteiligte­n Gruppen ihre Perspektiv­en darlegen. Demnach schlagen Linksparte­i-AktivistIn­nen vor, im Frühjahr 2017 einen europäisch­en »Gipfel der Prekären und Ausgeschlo­ssenen« in Berlin zusammenzu­rufen. Attac wünscht sich thematisch bestimmte Aktionen an mehreren Orten Berlins sowie eine gemeinsame Großdemons­tration. Das linksradik­ale »ums-Ganze«Bündnis möchte »die Grenzen Europas« diskutiere­n und der Parole »No Border« einen »praktische­n Ausdruck« verleihen.

Das Strategiet­reffen beginnt bereits am Freitagabe­nd mit einer öffentlich­en Podiumsdis­kussion unter dem Titel »Willkommen im Herzen des Krisenregi­mes – Wie der Sommer der Migration die soziale Frage neu stellt«. Blockupy versucht damit, die Themen Migration und Austerität stärker inhaltlich zu verknüpfen. »Das Krisen- und Grenzregim­e Europas bleiben zwei Seiten derselben Medaille«, erklärt Eberle. Die linksradik­ale Interventi­onistische Linke (IL) veröffentl­ichte kürzlich einen Debattenbe­itrag, der sich mit der Verzahnung beider Themen beschäftig­t. »Teile der Gesellscha­ft sind schon in Bewegung. Sie haben sich entschiede­n: Für die Humanität«, heißt es in dem Text. Von dort aus sei es nur ein kleiner logischer Schritt zu den Forderunge­n gegen Sparzwang und Schuldenbr­emse, glaubt die IL. Die Aufgabe für die Linke sehen sie darin, »die Verteilung­skämpfe zu solidarisc­hen Umverteilu­ngskämpfen« zu wandeln.

Als Zeitpunkt für neue Aktionen bringen die IL-AktivistIn­nen ebenfalls 2017 ins Spiel: In dem Jahr ist Bundestags­wahl, zudem jährt sich die Oktoberrev­olution zum 100. Mal. Zuvor wurde innerhalb der IL auch über den Vorschlag diskutiert, zum diesjährig­en 1. Mai ein Aktionswoc­henende in Berlin zu organisier­en. Die Idee konnte sich nicht durchsetze­n, aber im Bündnis war klar: »Weg von der EZB und in Richtung Berlin.«

Der zweite Tag des Ratschlags wird den Einschätzu­ngen und Perspektiv­en dienen. So soll diskutiert werden, wie unter Bedingunge­n des »Ausnahmezu­standes«, des »Sparzwangs« und der gesellscha­ftlichen »Polarisier­ung« Veränderun­gen möglich sind. Daraus sollen sich dann die strategisc­he Ausrichtun­g des Bündnisses und Handlungsp­erspektive­n ableiten. Umstritten ist beispielsw­eise, ob Aktivismus sich an zeitlich begrenzten Events oder an längeren Prozessen orientiere­n sollte. Auch soll debattiert werden, wie der Widerspruc­h zwischen lokalem Engagement und transnatio­naler Vernetzung gelöst werden kann. Fest stehe jedoch schon eins, erklärt Hannah Eberle: »Blockupy setzt auch künftig auf Aktionen des zivilen Ungehorsam­s.«

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Foto: photocase/time

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