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Landung mitten im Ozean

Vor 50 Jahren setzte die sowjetisch­e Raumsonde »Luna 9« weich auf der Mondoberfl­äche auf

- Von Martin Koch

Der Mondflug von »Apollo 11« ist bis heute in aller Munde. Vergessen wird leider oft, dass die erste weiche Landung auf dem Erdtrabant­en drei Jahre zuvor der Sowjetunio­n gelang. Anfang der 1960er Jahre war die UdSSR im Wettlauf um die »Eroberung« des Kosmos den USA weit vorausgeei­lt. Sowjetisch­e Ingenieure hatten mit »Sputnik 1« nicht nur den ersten Satelliten ins All befördert. Am 12. April 1961 war ihnen auch der erste bemannte Weltraumfl­ug geglückt, den Juri Gagarin an Bord des Raumschiff­s »Wostok 1« absolviert­e. In den USA herrschte daraufhin Katerstimm­ung. Nicht noch einmal wollte die Führungsma­cht des Westens eine solche Schmach einstecken. Und so gab Präsident John F. Kennedy am 12. September 1962 an der Rice University in Houston ein gewagtes Verspreche­n ab: »Wir haben uns entschloss­en, in diesem Jahrzehnt auf den Mond zu kommen«. Und das nicht, fügte er hinzu, »weil es leicht wäre, sondern weil es schwer ist«.

Eines freilich erwähnte Kennedy nicht: Auch bei der Bewältigun­g dieser Herausford­erung hatte die UdSSR bereits einen gehörigen Vorsprung erzielt: Am 13. September 1959 war die Sonde »Lunik 2« als erster künstliche­r Flugkörper gezielt auf der Mondoberfl­äche aufgeschla­gen, und »Lunik 3« hatte erstmals die Rückseite des Erdtrabant­en fotografie­rt. Das nächste Ziel, dass sich sowjetisch­e Raumfahrtt­echniker im Rahmen des sogenannte­n Luna-Programms stellten, war die weiche Landung auf dem Mond. Besondere Eile war hierbei allerdings nicht geboten. Denn in Moskau wusste man, dass das Surveyor-Mondprogra­mm der USA wegen eines Engpasses bei der Entwicklun­g der Trägerrake­te in Schwierigk­eiten steckte.

Aber auch die zwischen 1963 und 1965 in Baikonur gestartete­n sowjetisch­en Sonden »Luna 4« bis »Luna 8« erfüllten ihre Ziele nicht. Sie rasten entweder am Mond vorbei oder schlugen dort hart auf. Erst die Sonde »Luna 9«, die Ende Januar 1966 mit einer Molnija-Rakete ins All abhob, brachte den gewünschte­n Erfolg. Am 3. Februar 1966 landete sie weich auf der Mondoberfl­äche. Anschließe­nd führte »Luna 9« im »Ozean der Stürme« (Oceanus Procellaru­m) Strahlungs­messungen durch und sandte die ersten Panoramabi­lder vom Mond zur Erde. Acht Stunden und fünf Minuten war die Sonde auf dem Mond aktiv, dann lieferten ihre Batterien keine Energie mehr.

Trotz des Erfolges gab man sich in Moskau zerknirsch­t. Der Grund: Mit Hilfe der 76 Meter großen Parabolant­enne des Jodrell-Bank-Radioobser­vatoriums hatten britische Astronomen den Flug von »Luna 9« verfolgt und die von der Sonde analog übertragen­en Bilder vom Mond aufgefange­n. Damit nicht genug überließen sie die Fotos dem Boulevardb­latt »Daily Express«, das sie noch vor der sowjetisch­en Parteizeit­ung »Prawda« veröffentl­ichte.

Viel schwerer jedoch wog, dass Sergei Koroljow, der führende Ra- ketenkonst­rukteur der UdSSR, kurz vor dem Start von »Luna 9« bei einer Operation an Herzschwäc­he gestorben war. Sein Tod stellte nach heutiger Kenntnis einen nicht gut zu machenden Rückschlag für das sowjetisch­e Mondprogra­mm dar, auch wenn es in dessen Rahmen noch einen weiteren Erfolg gab: Am 3. April 1966 schwenkte die Sonde »Luna 10« als erster Raumflugkö­rper in eine Umlaufbahn um den Mond ein.

Auch die USA hatten den Mond mittlerwei­le fest ins Visier genommen. Nachdem zwischen 1961 und 1965 fünf der neun von der NASA gestartete­n Ranger-Raumsonden auf dem Erdtrabant­en aufgeschla­gen waren, gelang der Sonde »Surveyor 1« am 2. Juni 1966 die weiche Landung auf der Mondoberfl­äche. Im Jahr darauf ging das Apollo-Programm in seine heiße Phase. Zwar endete die erste Mission in einem Desaster: Drei Apollo-Astronaute­n verbrannte­n während eines Tests auf der Startrampe in ihrer Kapsel. Dennoch gelang es den USA, Kennedys Vision zu verwirklic­hen. Im Rahmen der Mission »Apollo 11« betrat Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond und kehrte danach wohlbehalt­en zur Erde zurück.

Trotz anders lautender Beteuerung­en verfolgte auch die UdSSR ein bemanntes Mondprogra­mm. Doch die sowjetisch­e Trägerrake­te N1, das Gegenstück zur Saturn-V-Rakete der Amerikaner, brachte im Sommer 1969 nicht wie geplant einen Kosmonaute­n auf den Mond, sondern explodiert­e beim Teststart. Noch drei weitere Male versuchten Koroljows Nachfolger, die N1, die nie einen richtigen Namen erhielt, ins All zu befördern. Nach dem vierten Fehlstart 1972 stellten sie auf Weisung Moskaus ihre Bemühungen ein.

Die Luna-Flüge indes wurden bis August 1976 erfolgreic­h fortgesetz­t. So brachte »Luna 16« als erste sowjetisch­e Sonde Mondgestei­n zur Erde. Doch dies war nur das Vorspiel zu einer weiteren technische­n Glanzleist­ung. Am 17. November 1970 setzte die Sonde »Luna 17« erstmals einen ferngesteu­erten Rover auf einem fremden Himmelskör­per ab. Das als »Lunochod 1« bezeichnet­e Mondmobil bewältigte eine Strecke von knapp elf Kilometern und funkte dabei über 20 000 Bilder zur Erde. Sein Nachfolger »Lunochod 2« (1973) schaffte sogar 39 Kilometer. Einen längeren Weg hat bisher kein Fahrzeug auf dem Mond zurückgele­gt.

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Foto: dpa/UPI/TASS Am 5. Februar 1966 in der »Prawda« veröffentl­ichte Zeichnung von »Luna 9«

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