Jetzt kommen die Kinder und Frauen
Unter Ägäis-Flüchtlingen sind Männer erstmals in der Unterzahl / Kabinett begrenzt Familiennachzug
An Mazedoniens Grenze sind inzwischen 60 Prozent der Flüchtlinge Frauen und Kinder. In Deutschland werden fast 5000 unbegleitete Flüchtlinge im Kindes- und Jugendalter vermisst. Laut Bundeskriminalamt galten zu Jahresbeginn 4749 unbegleitete Flüchtlinge im Kindes- und Jugendalter in Deutschland als vermisst. Davon seien 431 jünger als 13 Jahre, 4287 zwischen 14 und 17 Jahren alt sowie 31 älter als 18 Jahre. Am 1. Juli 2015 habe es »nur« 1637 solcher Fälle gegeben, bestätigte eine Behördensprecherin einen Zeitungsbericht gegenüber der dpa. Darunter könnten Mehrfachzählungen sein. Wo die Vermissten abgeblieben sind, bleibt vorerst unklar.
Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisationen Pro Asyl und Amnesty International sowie des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) könnte die Berliner Politik den »derzeitigen Trend«, dass »Kleinkinder, Kinder und Frauen sich auf die lebensgefährliche Fluchtroute und in die Hände von Schleusern begeben«, noch verstärken. Im Rahmen des Asylpakets II hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen, bei subsidiär geschützten Flüchtlingen den Familiennachzug zwei Jahre auszusetzen.
Laut dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF sind derzeit »36 von 100 Flüchtlingen«, die Griechenland von der Türkei aus zu erreichen versuchen, Kinder. An der griechisch-mazedonischen Grenze habe man 60 Prozent Frauen und Kinder gezählt, erstmals seien die Männer in der Unterzahl.
Pro Asyl, Amnesty und der DAV kritisieren auch weitere Bestandteile des Asylpakets für »Härte und Unverhältnismäßigkeit«. So würden die geplanten Schnellverfahren in Spezialeinrichtungen für Flüchtlinge mit schlechten Bleibeaussichten »insbesondere« solche ohne Papiere treffen, denen man »mangelnde Mitwirkungsbereitschaft« unterstelle. Die Verfahren würden nicht beschleunigt, sondern verschlechtert, auch durch das Fehlen adäquater Beratung. Bei der erleichterten Abschiebung von Kranken sollten psychotherapeutische Gutachten – etwa über Traumata – nicht mehr als Hindernis gelten.
Die EU-Grenzagentur Frontex erwägt, für die Registrierung von Flüchtlingen in Griechenland Privatfirmen einzusetzen. Athen wolle mehr Personal von der EU, die sei aber überfordert, so FrontexChef Fabrice Leggeri am Mittwoch im ZDF. Daher müsse auch über den Einsatz von »Arbeitern in einem privaten Vertrag« nachgedacht werden. Laut Leggeri setzt Frontex derzeit 750 Beamte ein, um in Griechenland Bootsflüchtlinge zu registrieren und retten zu helfen. Die Türkei müsse die Fluchtbewegungen konsequenter eindämmen, so der Frontex-Chef.
In Deutschland häufen sich derweil die Übergriffe. Das Internetportal »Mut gegen rechte Gewalt« zählte allein im Januar 99 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, darunter 16 Brandanschläge. Bei Gewaltakten habe es 44 Verletzte gegeben, darunter viele Flüchtlinge. Am Montagabend wurde in Düsseldorf die Freizeitstätte Garath attackiert, in der sich ein Bündnis gegen rechts zusammenfand.