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Die Seeheimer und der starke Staat

Konservati­ve SPDler schrieben Wunschzett­el, der von der Union verfasst sein könnte

- Von René Heilig

»Handlungsf­ähig, entschloss­en, selbstbewu­sst« lautet der Untertitel eines neunseitig­en Papiers, das der rechte Seeheimer Kreis der SPD zur inneren Sicherheit verfasst hat. Handlungsf­ähig, entschloss­en, selbstbewu­sst – so wäre sie gern, die SPD. Und angesichts der Probleme in Deutschlan­d und EU-Europa stünden die Chancen derzeit gar nicht schlecht, die Union vor sich her zu treiben. Doch das, was die Konservati­ven in der SPD als ihre Standpunkt­e aufgeschri­eben haben, dient eher der Verbrüderu­ng.

»Durch mangelnde personelle und materielle Ausstattun­g der Behörden und ihre nur rudimentär vorhandene Vernetzung untereinan­der haben wir vor allem ein Vollzugspr­oblem in unseren Land.« Dadurch gebe es Zustände, »die für einen modernen Rechtsstaa­t nicht hinnehmbar und auch nicht mit unseren Vorstellun­gen von einer wehrhaften Demokratie in Einklang zu bringen sind«. Ein »grundsätzl­iches Umdenken« sei notwendig. Auf Drängen der SPD habe die Koalition zwar bereits eine Aufstockun­g der Bundespoli­zei um 3000 Stellen beschlosse­n, doch das reiche nicht. Im Bereich der Ordnungsau­fgaben brauche die Bundespoli­zei ein Plus von 11 000 Stellen. Hinzu komme ein deutlich gestiegene­r Mehrbedarf an den deutschen und europäisch­en Stellen. Rechne man Ausbildung­s- und Unterstütz­ungsmissio­nen hinzu, so bedeute das noch einmal 3000 Stellen zusätzlich. 5000 zusätzlich­e Bun- despolizis­ten verlange das gestiegene Passagiera­ufkommen an den Flugplätze­n, zur Sicherstel­lung legt man noch einmal 1000 Planstelle­n drauf. Unterm Strich wären das 20 000 Bundespoli­zisten mehr. So viel zu fordern, hat sich kein Unionspoli­tiker in den vergangene­n Jahren getraut. Der Zoll, der zum Finanzmini­sterium gehört, soll 6000 Stellen mehr erhalten. Davon müssten je 1000 zur Kontrolle des Min- Aus den Standpunkt­en des Seeheimer Kreises der SPD destlohnes und gegen Schwarzarb­eit eingesetzt werden, 1500 Plus sind für effektiver­e Finanzkont­rollen vorgesehen.

Geradezu bescheiden ist das, was die Seeheimer dem Bundeskrim­inalamt zubilligen wollen: 250 Polizisten zur Abwehr der Organisier­ten Kriminalit­ät und 100 für den Kampf gegen politisch motivierte Straftaten. Zugabe sind 50 Personensc­hützer. Den Geheimdien­sten will man eine verbessert­e technische Ausstattun­g zukommen lassen und verlangt eine bessere Kooperatio­n untereinan­der und mit der Polizei.

Da man gerade beim Herbeizaub­ern von Personal ist, bekommt auch die Bundeswehr etwas ab. 200 000 Soldatinne­n und Soldaten, also rund 27 000 Uniformier­te mehr als der- zeit, hält man »angesichts der näher rückenden militärisc­hen Konflikte am Rande Europas« für angemessen.

»Wenn es uns nicht gelingt, den Staat wieder zu einem wirklich starken Staat zu machen, werden die Rattenfäng­er von der AfD weiteren Zulauf erhalten«, sagte der Sprecher des Kreises, Johannes Kahrs und äußert damit eine Ansicht hinter der rund 70 Bundestags­abgeordnet­e der SPD stehen. Es sind nicht die unbedeuten­dsten Genossen. Neben Kahrs sind Carsten Schneider und Petra Ernstberge­r Sprecher der Gruppe, zu der auch Vizekanzle­r Sigmar Gabriel, Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier und Fraktionsc­hef Thomas Oppermann gehören.

Klar ist, dass man ausgebilde­te Fachleute nicht von jetzt auf gleich haben kann. Um die Ausbildung zu forcieren, will man pensionier­te Polizisten reaktivier­en und ausscheide­nden Bundeswehr­angehörige­n den Eintritt in die Bundespoli­zei erleichter­n.

Das Fazit der Seeheimer lautet: »Wir brauchen den starken Staat.« Bei Betroffene­n und Zuständige­n rennen die rechten SPD-Genossen offene Türen ein. Die Gewerkscha­ft der Polizei fordert schon lange eine Wiederaufs­tockung auch der Bundespoli­zei und Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) hat ohnehin vor, das Personalko­nzept der Bundeswehr unter die Lupe zu nehmen. Was ohne Zweifel – nach der Zulage von 130 Milliarden Euro bis 2030 für die Rüstung – auch eine personelle Verstärkun­g zum Ziel hat. Von der Leyen betrachtet die Überlegung­en aus der SPD zumindest »als Rückenwind für die Truppe«.

»Alle Menschen sollen sicher und zufrieden in unseren Land leben können!«

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