Abschreiben für Demagogen (AfD)
Zunächst sorgte nur der Titel des Antrags für Anstoß. Die Fraktion der »Alternative für Deutschland« (AfD) wollte in dieser Woche im sächsischen Landtag über »Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen« reden. »Keine Pointe«, merkte ein Mitarbeiter der SPD-Fraktion an, der im Nachrichtendienst Twitter auf die AfD-Initiative aufmerksam machte – und die Stichwörter »#Petry« und »#Storch« hinzufügte. Die Berliner AfD-Chefin Beatrix von Storch hatte am Wochenende auf ihrer Facebook-Seite Äußerungen der Bundesund sächsischen Fraktionschefin Frauke Petry verteidigt, bei denen es um Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze ging. Von Storch war gefragt worden, ob das auch für Frauen und Kinder gelte – und hatte kurz und herzlos mit »Ja« geantwortet. Später präzisierte sie, sie sei »grundsätzlich gegen Gewalt gegen Kinder«. Was im Umkehrschluss heißt: Auf Frauen darf ihrer Ansicht nach geschossen werden.
Über Schüsse an der Grenze fabulieren und kurz darauf im Landtag über Frauenhäuser reden: Zynischer geht es kaum, könnte man meinen – und der AfD einen Rest von Anstand bescheinigen für die Einsicht, die Drucksache am Dienstag zurückzuziehen. Freilich: Etwaige Gewissenspein spielte dabei keine Rolle – zumindest nicht mit Blick darauf, dass Schießen auf und Schützen von Frauen nicht zusammen passen. Erwischt fühlte sich die AfD nicht als demagogische Truppe, die den Irren dieses Landes neues Gedankenfutter liefert und mit Ideen provoziert, die ein Kommentator der »Süddeutschen Zeitung« als »Prolog zur Unmenschlichkeit« bezeichnet.
Nein, ertappt fühlte sich die sächsische Fraktion bei einem Delikt, das zwar peinlich ist, bei dem sie sich aber – anders als beim Thema Schießbefehl – in mehr oder weniger guter Gesellschaft befindet: Sie hat abgeschrieben. Die Drucksache 6/4008 des sächsischen Landtags ist in weiten Passagen identisch mit der Drucksache 6/1498 des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern, mit dem die dortige LINKE im Januar 2013 forderte, »Schutz und Hilfen für Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt« zu verbessern.Übernommen wurden neben Teilen der Begründung exakt fünf von sechs Forderungen – nur die nach einem barrierefreien Zugang der Frauenhäuser kupferte die AfD nicht ab.
Nun ließe sich einwenden, für parlamentarische Initiativen gebe es keinen Kopierschutz, und wenn ein sinnvolles Ansinnen umgesetzt wird, müsse der eigentliche Urheber nicht auf sein Recht pochen. Allerdings: Bei der AfD, die sich um den Zustand der Frauenhäuser in Sachsen sorgt, handelt es sich um die gleiche Partei, die alles andere als eine Vorkämpferin von Gleichstellung ist; die gegen »Gender-Wahn« und »Früh-Sexualisierung« zu Felde zieht – und in der antiquierte Vorstellungen von Familie und Männlichkeit anzutreffen sind, die häuslicher Gewalt nicht eben abträglich sind. Das sei, sagt die sächsische LINKE-Politikerin Sarah Buddeberg, als warne man vor Karies – und stoppe gleichzeitig die Produktion von Zahnpasta.
Für die Plagiatsaffäre macht die AfD in einer Mitteilung übrigens eine parlamentarische Mitarbeiterin verantwortlich. Diese habe inzwischen die Fraktion verlassen. Man möchte anmerken: Es war die falsche Frau – Stichwort »#Petry«.