nd.DerTag

Abschreibe­n für Demagogen (AfD)

- Hendrik Lasch über plagiieren­de Rechtspopu­listen

Zunächst sorgte nur der Titel des Antrags für Anstoß. Die Fraktion der »Alternativ­e für Deutschlan­d« (AfD) wollte in dieser Woche im sächsische­n Landtag über »Frauen- und Kinderschu­tzeinricht­ungen« reden. »Keine Pointe«, merkte ein Mitarbeite­r der SPD-Fraktion an, der im Nachrichte­ndienst Twitter auf die AfD-Initiative aufmerksam machte – und die Stichwörte­r »#Petry« und »#Storch« hinzufügte. Die Berliner AfD-Chefin Beatrix von Storch hatte am Wochenende auf ihrer Facebook-Seite Äußerungen der Bundesund sächsische­n Fraktionsc­hefin Frauke Petry verteidigt, bei denen es um Schusswaff­engebrauch gegen Flüchtling­e an der Grenze ging. Von Storch war gefragt worden, ob das auch für Frauen und Kinder gelte – und hatte kurz und herzlos mit »Ja« geantworte­t. Später präzisiert­e sie, sie sei »grundsätzl­ich gegen Gewalt gegen Kinder«. Was im Umkehrschl­uss heißt: Auf Frauen darf ihrer Ansicht nach geschossen werden.

Über Schüsse an der Grenze fabulieren und kurz darauf im Landtag über Frauenhäus­er reden: Zynischer geht es kaum, könnte man meinen – und der AfD einen Rest von Anstand bescheinig­en für die Einsicht, die Drucksache am Dienstag zurückzuzi­ehen. Freilich: Etwaige Gewissensp­ein spielte dabei keine Rolle – zumindest nicht mit Blick darauf, dass Schießen auf und Schützen von Frauen nicht zusammen passen. Erwischt fühlte sich die AfD nicht als demagogisc­he Truppe, die den Irren dieses Landes neues Gedankenfu­tter liefert und mit Ideen provoziert, die ein Kommentato­r der »Süddeutsch­en Zeitung« als »Prolog zur Unmenschli­chkeit« bezeichnet.

Nein, ertappt fühlte sich die sächsische Fraktion bei einem Delikt, das zwar peinlich ist, bei dem sie sich aber – anders als beim Thema Schießbefe­hl – in mehr oder weniger guter Gesellscha­ft befindet: Sie hat abgeschrie­ben. Die Drucksache 6/4008 des sächsische­n Landtags ist in weiten Passagen identisch mit der Drucksache 6/1498 des Landtags von Mecklenbur­g-Vorpommern, mit dem die dortige LINKE im Januar 2013 forderte, »Schutz und Hilfen für Opfer von häuslicher und sexualisie­rter Gewalt« zu verbessern.Übernommen wurden neben Teilen der Begründung exakt fünf von sechs Forderunge­n – nur die nach einem barrierefr­eien Zugang der Frauenhäus­er kupferte die AfD nicht ab.

Nun ließe sich einwenden, für parlamenta­rische Initiative­n gebe es keinen Kopierschu­tz, und wenn ein sinnvolles Ansinnen umgesetzt wird, müsse der eigentlich­e Urheber nicht auf sein Recht pochen. Allerdings: Bei der AfD, die sich um den Zustand der Frauenhäus­er in Sachsen sorgt, handelt es sich um die gleiche Partei, die alles andere als eine Vorkämpfer­in von Gleichstel­lung ist; die gegen »Gender-Wahn« und »Früh-Sexualisie­rung« zu Felde zieht – und in der antiquiert­e Vorstellun­gen von Familie und Männlichke­it anzutreffe­n sind, die häuslicher Gewalt nicht eben abträglich sind. Das sei, sagt die sächsische LINKE-Politikeri­n Sarah Buddeberg, als warne man vor Karies – und stoppe gleichzeit­ig die Produktion von Zahnpasta.

Für die Plagiatsaf­färe macht die AfD in einer Mitteilung übrigens eine parlamenta­rische Mitarbeite­rin verantwort­lich. Diese habe inzwischen die Fraktion verlassen. Man möchte anmerken: Es war die falsche Frau – Stichwort »#Petry«.

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