Rajoy zieht zurück, Sánchez übernimmt
Sozialisten-Chef erhält Auftrag zur Regierungsbildung in Spanien
Mehr als sechs Wochen nach der Parlamentswahl in Spanien hat König Felipe VI. dem Sozialisten-Chef Pedro Sánchez den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Er ist nicht der königliche Wunschkandidat: Pedro Sánchez, Chef der sozialistischen Partei, soll nun das schaffen, was dem Noch-Premier Mariano Rajoy nicht gelungen ist: eine Regierung zu bilden. Noch vor zehn Tagen wollte König Felipe V. den amtierenden Regierungschef beauftragen, doch der Konservative lehnte ab, weil ihn keine Partei unterstützen wollte. Bei der zweiten Runde am Dienstag zog König Felipe VI. Sánchez Rajoy vor, weil jener auch hinter den Kulissen in den vergangenen Tagen nicht vermochte, ausreichend Unterstützung für seine rechte Volkspartei (PP) im neuen Parlament zu sichern. Die PP wurde zwar stärkste Kraft, stürzte aber um 16 Prozentpunkte auf 29 Prozent ab. »Ich kann die Zusammensetzung einer stabilen Regierung nicht garantieren, weil die Sozialisten den Dialog verweigern«, erklärte Rajoy. Er setzt nun darauf, dass die Regierungsbildung misslingt, und weist Sánchez schon jetzt die Verantwortung für Neuwahlen zu.
Sánchez sagte nach der Entscheidung des Königs: »Wir werden die Verantwortung übernehmen und versuchen, eine Regierung zu bilden.« Eigentlich wäre dies die Aufgabe Rajoys als Chef der stärksten Partei im Parlament gewesen, sagte Sánchez. »Aber Rajoy habe nichts unternommen, um die notwendige Mehrheit hinter sich zu bringen. Wir Sozialisten werden die Hand nach rechts und nach links ausstrecken«, sagte der PSOE-Parteichef.
Wie Sánchez eine Regierung bilden will, ist unklar. Klar ist, dass er die Unterstützung von Podemos (Wir können es) braucht, die mit fast 21 Prozent nur knapp hinter den Sozialisten (PSOE) blieb. Entsprechend selbstbewusst tritt der Podemos-Chef Pablo Iglesias auf. Nach seinem ersten Gespräch mit dem König bot er Sánchez eine Koalitionsregierung an und forderte für sich den Posten des Vize-Ministerpräsidenten und für Podemos und die Vereinte Linke (IU) die Hälfte aller Ministerien, »da wir gemeinsam mehr Stimmen, als die PSOE bekommen haben«. Angesichts dieser »Großzügigkeit« waren viele PSOE-Führer entsetzt und sprachen von »Erpressung« und »Erniedrigung«. So flogen am vergangenen Samstag bei einer Sitzung der Parteiführung die Fetzen, weil Sánchez weiter auf Podemos setzt. Vor allem die starke andalusische Lokalfürstin Susana Díaz schoss gegen Sánchez, die ihn an der Parteiführung ablösen will. Sie ist gegen jede Kooperation mit Podemos und wäre deshalb vermutlich bereit, Rajoy mit einer Enthaltung erneut zum Regierungschef zu machen. Doch das wäre, nach all den Korruptionsskandalen und den heftigen Einschnitten für die breite Bevölkerung Verrat an den Wählern, die einen Wandel wollen.
Sánchez ist der Auffassung, PSOE und Podemos seien darauf angewiesen, sich zu einigen. Um Díaz und anderen Kritikern Angriffsfläche zu nehmen, kündigte Sánchez an, über ein mögliches Abkommen müssten die Parteimitglieder abstimmen. Da der PSOE-Chef noch immer die Vorstellung hat, auch die rechten Ciudadanos (Bürger) einzubinden, wurde Iglesias sehr deutlich. »Wir werden nicht gemeinsam mit Ciudadanos und der PSOE regieren«, sagte er. Die Bürger seien eine »Krücke« der rechten PP und mit ihnen sei nur in Einzelfragen eine Einigung möglich. Sánchez solle aufhören, auf ein totes Pferd zu setzen und sich »entweder mit der PP und Ciudadanos einigen oder sich für Podemos entscheiden«.
Auch der Ciudadanos-Chef Albert Rivera hat eine Zusammenarbeit mit Podemos abgelehnt. Das Problem von Sánchez ist, dass er auch mit Podemos und IU nicht genug Stimmen bekommt, um Regierungschef zu werden. Er braucht zudem die Enthaltungen von baskischen und katalanischen Parteien, die für die Unabhängigkeit eintreten. Das ist ein rotes Tuch für die PSOE. Klar ist, dass er die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang verfehlen wird. Erst im Zweiten könnte er, wenn sich Basken und Katalanen enthalten oder der Abstimmung fernbleiben, mit einer einfachen Mehrheit Regierungschef werden. Drei bis vier Wochen hat sich Sánchez gegeben, um ein tragfähiges Bündnis zu schmieden. Die Zeit läuft.