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Syriens »Hoher Verhandlun­gsrat« – keine Friedensen­gel

Mohammed Allousch, Delegation­sleiter in Genf, hat das Erbe seines religiös-fundamenta­listischen Bruders übernommen

- Von Karin Leukefeld, Genf

Trotz eines zähen Auftakts der Syrien-Friedensge­spräche in Genf ziehen Diplomaten eine erste positive Zwischenbi­lanz. Als Erfolg wird unter anderem gewertet, dass die Regierungs­gegner teilnehmen. Der katarische Sender Al-Dschasira begleitet den »Hohen Verhandlun­gsrat« (HNC) – so nennt sich die Delegation der syrischen Regierungs­gegner – bei den Genfer Gesprächen fast auf Schritt und Tritt. Mit dem interaktiv­en Live-Blog »Syria talks in real time« nimmt Reporterin Basma Atassi die Zuschauer mit zu Pressekonf­erenzen, die vor dem und im UN-Palast der Nationen abgehalten werden. Man ist dabei, wenn der HNC am Flughafen ankommt und mit dem Bus zum Hotel gebracht wird, kleine Interviews wie mit der Opposition­ellen Souhair Atassi inklusive.

Prominent wird auch über die Ankunft von Mohammed Allousch berichtet, den Chef der Islamische­n Armee. Allousch führt die HNC-Delegation an. Die syrische Regierungs­delegation will jedoch nicht mit ihm reden. Begründung: Er führe eine Terrororga­nisation. Iran und Russland unterstütz­en Damaskus darin.

Belege gibt es dafür reichlich. Die von Saudi-Arabien, Katar, der Türkei und westlichen Staaten gesponsert­e Gruppe hält den Damaszener Vorort Douma besetzt und greift von dort die Hauptstadt mit Mörsergran­aten und Raketen an. Kurz vor Weihnachte­n waren an nur einem Tag mehr als 80 solcher Geschosse in Damaskus niedergega­ngen und hatten viele Menschenle­ben gefordert. Die syrische Luftwaffe reagierte mit Luftangrif­fen auf Douma. Am 24. Dezember wurde dabei der militärisc­he Anführer der Islamische­n Armee, Zahran Allousch, getötet. Eigentlich hatte er die HNCDelegat­ion in Genf anführen sollen.

Wer wird noch vom HNC in Genf vertreten? Ein wichtiger Kampfverba­nd ist die sogenannte Südfront. Auch sie erfreut sich westlicher Unterstütz­ung. Man sagt, ihr Auftrag sei, im Falle, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad stürzt, vom östlichen Tor von Damaskus aus in den Palast einzudring­en. Ahrar al-Sham, eine weitere Vereinigun­g islamistis­ch-salafistis­cher Gruppen, die der Ideologie der Muslimbrud­erschaft folgen, wird vom Golfemirat Katar unterstütz­t.

Auch die Südfront wird vom HNC vertreten. Sie ist ein Zusammensc­hluss aus mehr als 30 Gruppen, die aus Jordanien gesponsert werden. Sie kontrollie­rt Gebiete um die südsyrisch­e Provinzhau­ptstadt Deraa, wo sie je nach Lage auch mit der für grausame Hinrichtun­gen bekannten Nusra-Front kooperiert.

Die Islamische Armee vertritt einen dogmatisch­en Islam salafistis­chwahhabit­ischer, also saudi-arabischer Prägung. Zahran Allousch besuchte entspreche­nde Religionss­tudien in Saudi-Arabien, wo sein Vater salafistis­cher Prediger ist. 2011 war Zahran Allousch im Zuge einer Amnestie aus syrischer Gefangensc­haft frei gekommen und hatte sich danach sofort wieder bewaffnete­n Gruppen in Douma, seinem Geburtsort, angeschlos­sen. In einem Video vom September 2013 erklärte Allousch, er wolle das UmayyadenK­alifat, welches von Damaskus aus von 661 bis 750 die islamische Welt regierte, in der Levante und anderen muslimisch­en Ländern neu errichten. Ungläubige müssten weichen, vor allem Muslime schiitisch­en Glaubens.

»Wir werden die Köpfe der unreinen Schiiten in Nadschaf (eine den Schiiten heilige Stadt in Irak – d. Red) vergraben, so Gott will«, sagte Zahran Allousch in dem Video. Im November 2013 erklärte er gegenüber Al-Dschasira, nach dem Sturz von Assad werde in Syrien ein islamische­r Staat errichtet. Die Scharia werde eingeführt, das entspreche dem Willen der Syrer, die mehrheitli­ch Sunniten seien. Im Laufe des Jahres 2015 besuchte Allousch mehrmals die Türkei, bevor er im September an der Riad-Konferenz opposition­eller Gruppen teilnahm.

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Foto: AFP/Fabrice Coffrini Riad-Chefverhan­dler Mohammed Allousch in Genf

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