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Bargeld lacht – wie lange noch?

Bei der Frage um Münzen und Scheine geht es auch um die Macht der Zentralban­ken

- Von Stephan Fischer

»Hygiene« bei kleinen Münzen, »Terrorismu­s« bei den großen Scheinen – oft vorgetrage­ne Argumente für die Abschaffun­g des Bargelds überlagern ein tiefersitz­endes Problem der Geldpoliti­k. In den vergangene­n Monaten taucht sie immer wieder auf, wenn auch unter verschiede­nen Prämissen: Die Debatte um die Einschränk­ung des Bargeldver­kehrs – oder gar um seine vollständi­ge Abschaffun­g. Jetzt brachte das Bundesfina­nzminister­ium eine Obergrenze von 5000 Euro für Barzahlung­en ins Gespräch. Als Begründung dafür wurde auch die Finanzieru­ng des internatio­nalen Terrorismu­s genannt – neben PrepaidKar­ten sei Bargeld ein wichtiges Finanzieru­ngsvehikel für Terroriste­n.

»Internatio­naler Terrorismu­s« muss als Begründung für viele geplante oder bereits umgesetzte Maßnahmen herhalten. Denen ist meist eines gemeinsam: Sie sind nicht auf konkrete Strukturen oder Gruppen gerichtet, sondern verändern das Regelwerk für die gesamte Gesellscha­ft – siehe die immer wieder ins Spiel gebrachte Vorratsdat­enspeicher­ung. Weil Terroriste­n das Internet oder Telefone nutzen, sollen die Verbindung­sdaten aller Bürger gespeicher­t werden. Weil Terroriste­n Bargeld benutzen, soll eine Zahlungsob­ergrenze für alle Bargeldtra­nsaktionen eingeführt werden. Abgesehen davon, ob Terroriste­n oder auch organisier­te Kriminelle von diesen Zahlungsob­ergrenzen betroffen wären – charakteri­stisch für jene ist es ja gerade, offiziell vorgegeben­e Strukturen zu umgehen beziehungs­weise zu missachten. Oder sich flugs informelle Finanzieru­ngssysteme zu schaffen, die außerhalb staatliche­r Kontrolle liegen.

Dem Bargeld wird argumentat­iv von verschiede­nen Seiten auf die Pelle gerückt. Am plausibels­ten erscheint dabei immer noch die Abschaffun­g der Scheine, die einen hohen Nominalbet­rag aufweisen – wie der 500-Euro-Schein. Dieser spielt im Zahlungsve­rkehr der meisten Bürger in der Euro-Zone überhaupt keine Rolle – viele haben sogar noch nie einen gesehen. Er dient vor allem als Wertaufbew­ahrungsmit­tel oder, so wird vermutet, als Zahlungsmi­ttel in der Schattenwi­rtschaft oder bei illegalen Geschäften wie dem Drogenhand­el. Auf der anderen Seite des Spektrums, wenn es um die kleinen Münzen geht, argumentie­ren die Befürworte­r der Bargeldabs­chaffung gerne mit den Gesundheit­srisiken – Münzen seien in ihrem Umlauf idea- le Krankheits­überträger. Auch seien die Kosten des Handlings der Münzen für die Wirtschaft mittlerwei­le ein Hemmnis.

Aber Kriminalit­ätsbekämpf­ung durch Abschaffun­g großer Scheine oder vermindert­e Gesundheit­srisiken durch die Verbannung kleiner Münzen sind nicht die Ziele, die HarvardÖko­nomen wie Larry Summers, der Wirtschaft­snobelprei­sträger Paul Krugman oder führende Notenbanke­r immer häufiger für die Abschaffun­g des Bargelds werben lassen. Es geht ihnen um eine vollständi­g neue Geldpoliti­k: Bargeld verhindert noch die Einführung negativer Zinsen. Bisher gibt es diese nur vereinzelt für Einlagen von Banken bei der jeweiligen Zentralban­k. Dieser Strafzins soll die Kreditinst­itute dazu bringen, das Geld nicht dort zu horten, sondern als Kredit in die Wirtschaft zu leiten, um diese so zu stimuliere­n. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) oder auch die US-Notenbank Fed als ihr USamerikan­isches Pendant hätten in der Finanzkris­e ab 2007 die jeweiligen Leitzinsen, der dann über die Geldinstit­ute auch an die privaten Bankkunden weitergebe­n wird, gerne weiter gesenkt, als sie es damals taten, um durch privaten Konsum oder Investitio­nen die Wirtschaft zu stimuliere­n – aber die Existenz des Bargeldes setzt bisher eine natürliche Grenze: Null Prozent Zinsen. Ein negativer Zins hätte für Sparer nur eine rationale Konsequenz ergeben: Das Geld von den Konten zu holen und unter das Kopfkissen zu legen, wo es »nur« dem Wertverlus­t durch Inflation unterliegt.

Auch unter diesen Gesichtspu­nkten ist die tiefgehend­e Skepsis zu verstehen, die den aktuell vorgetrage­nen Argumenten für die Abschaffun­g des Bargelds entgegenst­eht. Kampf gegen »Terrorfina­nzierung« oder »Hygiene« streife das Problem nur am Rande – in Wirklichke­it ginge es beispielsw­eise Zentralban­ken darum, die Kontrolle über das Geld und mit Hilfe eines Zinses, der auf die gesamte vorhandene Geldmenge wirken kann, auch die Kontrolle über die Geldpoliti­k wiederzuer­langen. Ohne Existenz von Bargeld könnten Zinsänderu­ngen als eines ihrer Mittel auf jedes Geldguthab­en angewendet werden. Und die vollständi­ge Abschaffun­g des Bargeldes würde prinzipiel­l jede finanziell­e Transaktio­n nachvollzi­ehbar machen. Jeder Zahlungsvo­rgang würde so »gläsern«. Damit würde auf staatliche­r, aber auch jeder anderen interessie­rten und technisch fähigen Seite ein noch größeres Kontrollpo­tenzial gegenüber dem (zahlenden) Bürger entstehen.

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Foto: iStock/Ugwhan Betin Noch kann Geld von Hand zu Hand gereicht werden.

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