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Betrüger in der Chefetage

Zur Jahrtausen­dwende erregte der Fall Flowtex die Bundesrepu­blik – noch immer verfolgt die Justiz »Big Manni«

- Von Hermannus Pfeiffer

Bilder von Chagall und eine private Bilanzpoli­zei – der wohl größte Milliarden­betrug in der deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e bleibt weiterhin spannend. Milliarden­schwere Betrugsfäl­le wie bei Enron in den USA, Parmalat in Italien oder Flowtex in Deutschlan­d hatten zu Beginn dieses Jahrhunder­ts das Vertrauen in Bilanzen und Börsen zerrüttet. In den Berliner Ministerie­n sprach man von einer »neuen Qualität« und meinte die Höhe der finanziell­en Schäden sowie die »Skrupellos­igkeit und Verantwort­ungslosigk­eit« der Täter in Nadelstrei­fen. Doch der Flowtex-Skandal wirkt bis heute nach.

Genau am 4. Februar 2000 verhaftete die Kriminalpo­lizei den Unternehme­r Manfred »Big Manni« Schmider aus dem badischen Ettlingen und seinen Kompagnon. Ihr vermeintli­ches Vorzeigeun­ternehmen entpuppte sich im Insolvenzv­erfahren als riesige Blase. Mit Luftgeschä­ften schädigten die beiden Flowtex-Manager ihre Geschäftsp­artner um etwa 2,6 Milliarden Euro.

Seit Mitte der 1990er Jahre hatte Flowtex mehrere tausend Bohrma- schinen veräußert, mit denen Leitungen für Wasser, Gas und Internet verlegt werden konnten. Jede Maschine kostete einen Millionenp­reis. Tatsächlic­h sollen aber nur wenige hundert Bohrmaschi­nen vorhanden gewesen sein.

Die von der Politik hofierten Topmanager hatten ein sogenannte­s Schneeball­system aufgebaut: Mit 90 Tochterges­ellschafte­n weltweit und 4000 Beschäftig­ten. Flowtex verkaufte Bohrsystem­e an Leasingges­ellschafte­n oder Banken und leaste die Maschinen wieder zurück. Eine damals wie heute durchaus übliche Praxis in der Wirtschaft. Unternehme­n sparen durch »Sale-and-leaseback«-Geschäfte teures Eigenkapit­al ein und senken ihre Steuerzahl­ungen.

Der Bedarf für die Flowtex-Bohrer schien also gegeben und es flossen üppige Kredite unter anderem von der Commerzban­k. Nur, bei Flowtex gab es kaum Maschinen, die an Kunden in der Bauwirtsch­aft rund um den Globus verliehen oder verkauft werden konnten. Den kriminelle­n Rest besorgten Sekretärin­nen, die gefälschte Rechnungen schrieben und Steuerbera­ter, die manipulier­te Zahlen buchten. Die Bilanzen wurden von der renommiert­en Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t KPMG abgesegnet. Später zahlte die Gesellscha­ft Schadenser­satz an die Flowtex-Gläubiger. Die verzichtet­en auf Klagen gegen KPMG.

Als das Schneeball­system geschmolze­n war, blieben über hundert Ermittlung­sverfahren. Gegen die Haupttäter wurden Freiheitss­trafen über rund 60 Jahre verhängt. Und doch ist der Fall nicht abgeschlos­sen: Ende Januar verurteilt­e ein Bezirksger­icht im Schweizer Kanton Thurgau den ehemaligen Flowtex-Geschäftsf­ührer Schmider wegen Geldwäsche zu 14 Monaten Gefängnis. Schmiders Ex-Frau soll ebenfalls hinter Gittern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Für die Schweizer Insolvenzv­erwalter von Schultze & Braun geht es in dem Strafproze­ss um vier Bilder des Malers Marc Chagall, Schmuck und eine Liegenscha­ft in St. Moritz, die von »Big Manni« und seiner Kumpanin der Insolvenzm­asse entzogen worden sein sollen. Die Schlussrec­hnung muss noch vom Gericht geprüft werden. »Das wird sicher bis zum Herbst dauern«, teilt die Kanzlei auf Anfrage mit.

Auch in der Politik blieb der Betrug nicht folgenlos. Zwei Minister in der damaligen CDU/FDP-Regierung in Baden-Württember­g verloren ihre Ämter. Und Bundesfina­nzminister Hans Eichel (SPD) gründete eine Bilanzpoli­zei, die privatrech­tliche Deutsche Prüfstelle für Rechnungsl­egung. Die Fehlerquot­e in den Rechnungsw­erken von börsennoti­erten Unternehme­n ist seither deutlich zurückgega­ngen. Manipulier­t werde trotzdem, warnen Kritiker.

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Foto: DPA/Anthony Anex Manfred »Big Manni« Schmider kommt aus dem Flowtex-Skandal nicht raus.

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