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»Pumpe« aus dem Takt

Trotz besserer Versorgung­sstrukture­n für Herzkranke steigt die Zahl der Sterbefäll­e

- Von Ulrike Henning

Die Chancen, einen Herzinfark­t zu überleben, sind nach einem Bericht der Deutschen Herzstiftu­ng gestiegen. Doch es gibt auch allerhand ungeklärte Probleme bei den Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Kranke Herzen sorgen nach wie vor für eine leichte Zunahme der Zahl der Sterbefäll­e. Wie auch in den Vorjahren starben an Herz-Kreislauf-Krankheite­n mehr Frauen als Männer. Besonders deutlich ist der Unterschie­d bei der Herzschwäc­he: Hier lag die Sterbeziff­er – das sind die Gestorbene­n pro 100 000 Einwohner – bei den Frauen über 80 Prozent höher als bei den Männern. Auch bei tödlichen Herzrhythm­usstörunge­n liegen die Frauen mit 47 Prozent vorn. Für diese Entwicklun­g gibt es noch keine eindeutige­n Erklärunge­n, zumal Frauen in der Regel häufiger und früher zum Arzt gehen als Männer. Die Ursachen könnten nicht nur in Unterschie­den bei der Wirkung von Medikament­en liegen, sondern auch im sozialen Bereich – so darin, dass Frauen im hohen Alter häufiger allein leben.

Bei Herzinfark­ten hat die Sterblichk­eit zwischen 1990 und 2013 um 40 Prozent abgenommen, auf lange Sicht sank auch die Sterblichk­eit bei allgemeine­n Herzleiden um 17 Prozent. Diese Daten sind für Karl-Heinz Kuck von der Deutschen Gesellscha­ft für Kardiologi­e eines der Argumente gegen zu viele Interventi­onen – darunter Eingriffe per Katheter – in der Bundesrepu­blik. Es sei eine »hervorrage­nde Versorgung« aufgebaut worden, so der Hamburger Kardiologe.

Rätselhaft erscheint den Spezialist­en hingegen die zunehmende Sterblichk­eit bei Rhythmusst­örungen und Herzklappe­ndefekten. Gerade hier sei mittlerwei­le eine bessere Behandlung möglich. Bei Klappenfeh­lern seien durch neue schonender­e Eingriffe auch 80-Jährige behandelba­r, deren Zustand größere Operatione­n mit der Herz-Lungen-Maschine nicht mehr erlaube. Der Anteil der Todesfälle nach den moderneren Eingriffen – durch die Haut oder die Arterie – konnte in dieser Gruppe im ersten Jahr um die Hälfte gesenkt werden. Auch die Komplikati­onen insgesamt nehmen hier weiter ab. Eine Ursache für die in diesem Bereich dennoch steigende Sterblichk­eit sei möglicherw­eise die genauere Diagnostik, wenn Patienten im Krankenhau­s sterben. Ärzten, die Totenschei­ne ausfüllen, könnte das Kammerflim­mern als Todesursac­he heute bewusster sein als noch vor einigen Jahren.

Für den Herzberich­t wurden Daten aus mehr als zehn verschiede­nen Quellen herangezog­en, vom Statisti- schen Bundesamt über medizinisc­he Fachgesell­schaften bis hin zur Bundesärzt­ekammer. Dennoch fehlen verlässlic­he und ausreichen­de Angaben etwa zur Sterblichk­eit bei Katheterab­lationen im Fall von Herzrhythm­usstörunge­n – die Zahl dieser Behandlung­en, bei denen krankhafte elektrisch­e Erregungsh­erde verödet werden, lag 2014 bei 68 052 und war damit um 11,5 Prozent höher als im Vorjahr. Auch mangelt es an Langzeitda­ten zur Haltbarkei­t jener Herzklappe­n, die über ein Katheter ein- gesetzt wurden. In Zukunft sollen sich die Fachleute mehr für Datenbanke­n und Register engagieren. Unterstütz­ung wird auch vom Institut für Qualitätss­icherung und Transparen­z im Gesundheit­swesen (IQTIG) erwartet

Das Risiko, bei einem Herzinfark­t zu sterben, steigt trotz allem mit zunehmende­m Alter an. Das Versagen der »Pumpe« tritt also erst später auf, dann aber sind die Folgen schwerer. Nach einem überstande­nen Infarkt warnt Kuck vor Sorglosigk­eit: Noch zu selten würden die Betroffene­n im ers- ten Jahr nach dem Klinikaufe­nthalt von einem Kardiologe­n betreut. Das Risiko für einen erneuten Infarkt ist in diesem Zeitraum aber besonders hoch. Darüber müssten die Patienten besser informiert werden. Zudem nutzten zu wenige Betroffene nach einem Herzinfark­t eine Rehabilita­tionsmaßna­hme.

Auch der Bonner Chirurg Armin Welz glaubt nicht, dass zu viel operiert wird. Der Präsident der Gesellscha­ft für Thorax-, Herz- und Gefäßchiru­rgie erklärt, dass sich die Summe der jährlichen Eingriffe am Herzen mittlerwei­le relativ stabil um 100 000 bewege. Versorgt werden die Patienten in 78 Kliniken mit entspreche­nden Fachabteil­ungen. Ähnlich verhält es sich bei der Behandlung mit isolierten oder kombiniert­en Bypässen am Herzen – die Zahl dieser Operatione­n habe sich auf 54 000 pro Jahr eingepende­lt.

Transplant­ationen haben einen sehr geringen Anteil an der Herzchirur­gie. 2014 waren es 297 Herz- und Herz-Lungen-Verpflanzu­ngen, weniger als im Jahr zuvor. Da heute etwa 1000 Patienten in Krankenhäu­sern auf eine Transplant­ation warten, wird bei ihnen zunehmend mit technische­n Unterstütz­ungssystem­en gearbeitet, die teils auch für längere Dauer implantier­t werden könnten.

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Foto: imago stock&people Kindern mit Herzproble­men kann inzwischen immer besser geholfen werden. Das Foto entstand bei der Operation eines neun Monate alten Babys im vergangene­n Jahr in Toronto.

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