nd.DerTag

»Dada« als Prachtband

- Von Andreas Form

Detonation­en

auf den Schlachtfe­ldern des Ersten Weltkriegs waren das Hintergrun­drauschen für die Explosion einer literarisc­hen Sensation in der neutralen Schweiz. In der Spiegelgas­se 1 in Zürich wurde am 5. Februar 1916 die »Künstlerkn­eipe Voltaire« eröffnet. Das ist die Geburtsstu­nde von Dada, einer Bewegung, die nach dem Krieg nach Paris und Berlin überschwap­pte, in Köln und Hannover Filialen bildete und die nachfolgen­de Literatur in vielfältig­er Weise beeinfluss­te.

Von den vielen Publikatio­nen aus Anlass des Jubiläums ist die aus dem Zürcher Manesse-Verlag wohl die schönste. Ein grafisch an die Originale anknüpfend­er Prachtband, der neben den zum Kanon der Weltlitera­tur zählenden Ikonen des Dada wie das Gedicht »An Anna Blume« von Kurt Schwitters auch weniger Bekanntes enthält. Das dreisprach­ige Gedicht »L’amiral cherche une maison à louer«, gemeinsam verfasst von Richard Huelsenbec­k, dem Rumänen Marcel Janco und seinem Landsmann Tristan Tzara, ist ein echtes Fundstück. Wenn Alfred Kerr Dada in Berlin als »Ulk mit Weltanscha­uung« bezeichnet­e, berücksich­tigte er nicht die politische Seite. 1916, im Jahr von Verdun, schrieb Hugo Ball seinen »Totentanz«, der mit »So sterben wir, so sterben wir/ Wir sterben alle Tage« beginnt und die folgenden Strophen mit den Zeilen »Die Schlacht ist unser Freudenhau­s/ Von Blut ist unsre Sonne« oder »So morden wir, so morden wir/ Wir morden alle Tage« einleitet. Das ist ein Gedicht gegen den Krieg.

Kurzbiogra­fien und eine knappe Geographie der Dada-Filialen machen den Band zugleich zu einem zuverlässi­gen Nachschlag­ewerk.

Newspapers in German

Newspapers from Germany