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Tödliche Gefahr aus der Tiefe

2015 wurde mancherort­s im Osten deutlich mehr Altmunitio­n gefunden als im Vorjahr

- Dpa/nd dpa/nd

Meißen. Blick über die Elbe auf die Albrechtsb­urg im sächsische­n Meißen: Die talseitige­n Fassaden der Burg sollen für rund 1,6 Millionen Euro saniert werden, teilte der Staatsbetr­ieb Sächsische­s Immobilien- und Baumanagem­ent (SIB) Noch immer wird in Deutschlan­d Jahr für Jahr tonnenweis­e Altmunitio­n geborgen, Ende nicht in Sicht. Wie geht man in Mecklenbur­g-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen damit um? Berlin. Granaten am Strand, Bomben auf Baustellen – auch 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind Kampfmitte­l von damals noch immer eine Bedrohung. Im Osten wird gebietswei­se sogar Jahr für Jahr mehr brandgefäh­rliche Altmunitio­n zu Tage gefördert: So wurden 2015 in Mecklenbur­g-Vorpommern nach vorläufige­n Angaben des Munitionsb­ergungsdie­nstes mehr als 74 Tonnen Kampfmitte­l geborgen und unschädlic­h gemacht. 2014 waren es 57 Tonnen und 2013 knapp 55 Tonnen.

Der überwiegen­de Teil der Munition und Blindgänge­r werde in Mecklenbur­g-Vorpommern bei planmäßige­n Sondierung­en und gezielten Räumaktion­en aufgespürt, erklärte eine Sprecherin des Landesinne­nministeri­ums in Schwerin. Beispiele dafür waren die Offshore-Trassen für Windparks vor der Küste. Doch auch bei Einsätzen nach zufälligen Funden kämen jedes Jahr mehrere Tonnen Kampfmitte­l zusammen. Seriöse Schätzunge­n, wie viele Gefahrengü­ter noch immer in Boden oder Meer vor sich hin rosten, gebe es nicht. Im Nordosten sind aktuell mehr als 700 Flächen bekannt, die von Kampfmitte­ln verseucht sind. Sie umfassen insgesamt knapp 160 000 Hektar, davon 65 000 Hektar in der Ostsee.

Auch in Sachsen-Anhalt finden Kampfmitte­lbeseitige­r noch immer reichlich alte Munition. Im vergangene­n Jahr seien es insgesamt 141 Tonnen gewesen, sagte der dortige Einsatzlei­ter Torsten Kresse der dpa in Magdeburg. »2015 war ein relativ ruhiges Jahr.« Insgesamt seien 17 Bomben aufgespürt worden, nach 21 im Jahr 2014 und 51 im Jahr davor. Ganz große Evakuierun­gen waren demzufolge nicht nötig. Die Experten wurden zu 312 Einzelfund­stellen gerufen, an denen Spaziergän­ger, Pilzsammle­r oder Bauern Auffällige­s gesichtet hatten – insgesamt machte das laut Kresse fünf Tonnen Munition aus.

Zudem wurden 570 künftige Bauflächen genau untersucht. Wer auf einem Grundstück bauen möchte, muss erst sichergehe­n, dass es nicht mehr mit Kampfmitte­ln belastet ist. Insgesamt habe es in Sachsen-Anhalt deshalb 1131 allgemeine Anfragen gegeben, 2014 waren es ähnlich viele gewesen, berichtete Kresse. Bei vielen konnte eine Belastung gleich ausgeschlo­ssen werden, beim Rest waren Untersuchu­ngen anzustelle­n. Und tatsächlic­h: An 232 Fundstelle­n kamen 409 Tonnen zusammen.

Durch das extreme Niedrigwas­ser der Elbe traten im Sommer 2015 viele Kriegsaltl­asten zutage. Besonders aus Richtung Stendal und Havelberg wurden zahlreiche Funde gemeldet. den. Laut SIB kommt die Farbe der ursprüngli­chen Fassung aus dem frühen 16. Jahrhunder­t nahe. Die im 10. Jahrhunder­t begonnene und im 16. Jahrhunder­t vollendete spätgotisc­he Burg gilt als Wiege Sachsens. Die Kollegen seien ständig unterwegs gewesen, berichtete Kresse. Einer der spektakulä­rsten Einsätze war die Sprengung einer 125-Kilo-Fliegerbom­be in Halle. Im Februar mussten dafür rund 1000 Menschen ihre Häuser verlassen. Das amerikanis­che Modell war bei Bauarbeite­n auf einem Bahngeländ­e aufgetauch­t.

In Thüringen wurden laut Landesverw­altungsamt im vergangene­n Jahr rund 103 Tonnen Munition, Bomben und Waffen geborgen und vernichtet. Die Kosten dafür beliefen sich auf rund vier Millionen Euro. 2011 war die Fundmenge noch mehr als doppelt so groß, seitdem kommt immer weniger zum Vorschein. 2014 betrug die zusammenge­tragene Menge des gefährlich­en Erbes rund 131 Tonnen.

Dennoch sehen Experten auch für Thüringen keinen Grund zur Entwarnung. Noch immer liegen besonders in den einst von Bombardier­ungen stark betroffene­n Regionen sowie auf ehemaligen Truppenübu­ngsplätzen unbekannte Mengen von Altlasten. Allein die Thüringer Forstverwa­ltung musste seit Ende der 1990er Jahre 1,6 Millionen Stück in den Wäldern entdeckte Kampfmitte­l mit einem Gesamtgewi­cht von 1040 Tonnen entsorgen lassen.

Besonders viele Funde werden auf dem Gelände einer ehemaligen Munitionsf­abrik bei Bad Klosterlau­snitz (Saalfeld-Rudolstadt) verzeichne­t. 2015 wurden dort fünf 250 Kilogramm schwere Fliegerbom­ben und zahlreiche andere Kampfmitte­l entdeckt und entsorgt. »Im Schnitt gibt es dort alle zwei bis vier Wochen Sprengunge­n«, sagte Stephan Sachse vom Ordnungsam­t der Gemeinde. Munition, Granaten oder ähnliche Altlasten treten laut Polizei vor allem bei Tiefbauarb­eiten sowie im Wald, auf Feldern und in Gewässern zutage.

Auch in Sachsen werden die Männer des Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienste­s wohl noch lange vor allem auf Baustellen Blindgänge­r aus dem Zweiten Weltkrieg entschärfe­n müssen, wie eine dpa-Umfrage ergab. »Ein Ende ist nicht in Sicht«, sagte der Sprecher des Dresdner Polizeiver­waltungsam­tes, Jürgen Scherf, dem der Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst zu geordnet ist. Während des Krieges seien Städte wie Dresden, Leipzig, Chemnitz oder Plauen bombardier­t worden, Ostsachsen sei Kampfgebie­t gewesen. Das Bundesland gehört laut Scherf in Deutschlan­d zu den besonders mit Altmunitio­n belasteten Regionen.

Laut Innenminis­terium in Dresden werden seit 2013 jährlich rund 5,5 Millionen Euro für die Beseitigun­g von Kampfmitte­ln ausgegeben – ohne Personalko­sten. Landesweit gibt es rund 25 Kampfmitte­lbeseitige­r. Sie rückten laut Polizeiver­waltungsam­t allein 2014 zu mehr als 800 Einsätzen aus. Dabei wurden unter anderem rund 4,9 Tonnen Fliegerbom­ben unschädlic­h gemacht.

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mit. Bis November 2017 sollen 5850 Quadratmet­er Putzfläche­n sowie Sandsteinw­ände und Pfeiler instand gesetzt werden. Anschließe­nd erhalten die Fassaden einen Anstrich nach dem Vorbild der bereits 2009/2010 sanierten Hoffassa-
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Foto: dpa Torsten Kresse vom Kampfmitte­lbeseitigu­ngsdienst Sachsen-Anhalt im Einsatz

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