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Kölner Polizei jagt eigenen Kollegen

Nach der Silvestern­acht muss vor allem ein Polizist Ungemach befürchten

- Von Marcus Meier

Es wäre ein Treppenwit­z der Geschichte – mit einer hundsmiser­ablen Pointe: Möglicherw­eise wird im Zusammenha­ng mit den Kölner Silvester-Übergriffe­n ausgerechn­et jene Person am härtesten bestraft, die die massenhaft­en sexuellen Straftaten Dutzender arabisch und nordafrika­nisch aussehende­r Jungmänner öffentlich machte und so die Beschönigu­ngsstrateg­ie der Polizeifüh­rung durchkreuz­te.

Die Kölner Polizei ermittelt jedenfalls intern wegen des Verrats von Dienstgehe­imnissen, wie die »Süddeutsch­e Zeitung« unter Berufung auf einen Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Köln berichtete. Und sie sucht den »Täter«. Dem betroffene­n Polizisten droht im Extremfall eine Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren. Positiv auf die Karriere auswirken dürfte sich die Aktion für den Whistleblo­wer in keinem Fall – sofern die Ermittlung­en denn konkrete Ergebnisse erbringen werden.

Derweil warnte Kölns Amtsgerich­tspräsiden­t Henning Banke am Dienstag vor zu hohen Erwartunge­n an die beginnende­n ersten Prozesse gegen drei mutmaßlich­e Straftäter der Silvestern­acht, zwei Marokkaner (18 und 23 Jahre) und einen Tunesier (22 Jahre). Mit einem Urteil wird bereits am Mittwoch gerechnet.

Im Zentrum der Verfahren stünden allerdings nicht die furchtbare­n Ereignisse am Jahreswech­sel, sondern die Angeklagte­n und die Taten, die ihnen vorgeworfe­n würden, so Banke im »Kölner Stadtanzei­ger«. In beiden heute angesetzte­n Prozessen geht es um Diebstähle. »Das«, so Banke, »sind keine schweren Straftaten.«

Mit einer hohen Wahrschein­lichkeit werden diese Angeklagte­n also glimpflich davonkomme­n. Das gilt auch für andere mutmaßlich­e Straftäter und insbesonde­re für jene 75 Beschuldig­ten, gegen die die Polizei derzeit ermittelt. Von den 14 Verdächtig­en, die derzeit in Untersuchu­ngshaft sitzen, wird denn auch nur einem einzigen ein Sexualdeli­kt vorgeworfe­n, dem Rest hingegen Eigentumsd­elikte. Richter könnten stets nur das aburteilen, was auch angeklagt sei, betonte Gerichtspr­äsident Banke. Der Jurist widersprac­h der Einschätzu­ng, die Domstadt zeichne sich durch eine Kuscheljus­tiz aus.

Derweil muss der Überbringe­r der schlechten Nachricht mehr Ungemach befürchten als die Straftäter. An die Öffentlich­keit gelangten Anfang Januar Interna wie Einsatzpro­tokolle und Fotos von Beweismitt­eln. Sie belegen, dass die Polizei nach der Silvestern­acht ein extrem beschönige­ndes Bild der Lage abgab und lösten so eine bundesweit­e Debatte über Sexismus, Integratio­nsdefizite, das Versagen der Polizeifüh­rung, aber auch massenhaft rassistisc­he Reaktionen aus.

Polizeiprä­sident Wolfgang Albers wurde in den einstweili­gen Ruhestand versetzt, ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss einberufen. Gestern beschloss die rot-grüne Landesregi­erung einen 47 Millionen Euro schweren Nachtragsh­aushalt für das laut Justizmini­ster Thomas Kutschaty »größte Investitio­nsprogramm in die innere Sicherheit deutschlan­dweit«.

Selten, wenn überhaupt je, dürfte ein deutscher Whistleblo­wer eine dermaßen hohe Resonanz erzielt haben. Genau das könnte ihm nun zum Verhängnis werden. Die Innenpolit­ik in NRW sei für Vertuschun­gen bekannt, sagte Ralf Michalowsk­y, Landesspre­cher der Linksparte­i, am Dienstag dem »nd«. Der Polizist habe eine Gewissense­ntscheidun­g getroffen und Öffentlich­keit hergestell­t. »Das darf nicht bestraft werden«, forderte er.

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