nd.DerTag

Kompromiss auf Bezirkskos­ten

Martin Kröger über den erzielten Senatsbesc­hluss zu Asylheimen

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Ausgestand­en ist die Debatte um die Standorte für Flüchtling­sunterkünf­te nicht. Doch mit dem Schachzug, einen Teil der Entscheidu­ngen auf die Zeit nach einer Bedarfsana­lyse im kommenden Mai zu schieben, hat der Senat den internen Streit, aber auch die Auseinande­rsetzung mit den Bezirken lediglich aufgeschob­en. Medial hatte der Zoff über Listen zu den maximal 90 Standorten für Container- und Modularsta­ndorte der Großen Koalition weiter geschadet. Das Bild, das SPD und CDU abgeben, gleicht immer mehr der Zeit Anfang der Nuller Jahre: Es wird mehr gegeneinan­der als miteinande­r Politik gemacht. Wenn noch Kompromiss­e, wie jetzt, erzielt werden, ist das nur mühsam möglich.

Welch seltsame Züge der jetzt getroffene Senatsbesc­hluss hat, zeigt auch der Punkt, dass der Senat erklärt, der Hauptaussc­huss des Abgeordnet­enhauses werde am 2. März 2016 »in neuer Fassung« eine Liste beschließe­n. Dass die Exekutive bestimmt, was die Legislativ­e in einer Ausschusss­itzung beschließe­n wird, ist grotesk. Die kurzerhand vorgenomme­ne Verletzung der Gewaltente­ilung zeigt, wie runtergeko­mmen der Senat ist.

Die Leidtragen­den des auf Landeseben­e beschlosse­nen Kompromiss­es sind am Ende vor allem die Bezirke. Offensicht­lich waren sie nur bedingt in den Senatsbesc­hluss einbezogen. Ob aber die lokalen Widerständ­e quasi per Ordre de Mufti aufgelöst werden können, ist zu bezweifeln. Der Senat müsste sich besser mit den Bezirken austausche­n und abstimmen. Ober- und Untergrenz­en für Standorte suggeriere­n nur eine Scheingere­chtigkeit. Überhaupt gerät in der Diskussion um Standorte und Verteilung das Hauptziel aus dem Blick: die dezentrale Unterbring­ung der Menschen in Wohnungen, die die Integratio­n viel mehr erleichter­n würde.

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