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Kein Überblick über Flüchtling­e in Brandenbur­g

Innenstaat­ssekretär sieht Defizite im Bereich Sicherheit – gravierend­er Anstieg der rechtsextr­emen Kriminalit­ät

- Von Wilfried Neiße

Als unübersich­tlich hat Brandenbur­gs Innenstaat­ssekretär Matthias Kahl die Sicherheit­slage im Land vor dem Hintergrun­d der Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtling­en bezeichnet.

Noch immer fehle eine genaue Übersicht darüber, wer eigentlich nach Deutschlan­d einreise, erklärte der Innenstaat­ssekretär am Montagaben­d im Potsdamer Dorint-Hotel vor dem brandenbur­gischen Wirtschaft­sforum. Vereinzelt träfen Hinweise auf Bekenntnis­se zum sogenannte­n Islamische­n Staat (IS) ein. Zudem sei davon auszugehen, dass das derzeit etwa in Syrien zu beobachten­de Zurückdrän­gen des IS die Gefahr von Anschlägen in Europa erhöhe. Allerdings sei diese Gefahr in Branden- burg »nicht so hoch wie in andern Bundesländ­ern«, schätzte Kahl ein.

Derzeit unterhalte Brandenbur­g 181 feste Unterkünft­e sowie 16 vorübergeh­ende Unterkünft­e und 33 Notunterkü­nfte, in denen insgesamt knapp 28 500 Menschen leben, fuhr der Staatssekr­etär fort. Eingetroff­en seien zunächst 47 000 Menschen, doch sei eine Anzahl Flüchtling­e auf andere Bundesländ­er verteilt worden, andere hätten »sich selbststän­dig gemacht« oder seien nach Skandinavi­en weitergere­ist.

Der Monat mit der höchsten Zahl eintreffen­der Flüchtling­e sei der November vergangene­n Jahres mit 5522 Neuankömml­ingen gewesen, im Januar hätten sich in den Erstaufnah­meeinricht­ungen 2757 Flüchtling­e gemeldet. Die bloße Aufnahme von Flüchtling­en habe das Land 2014 rund 18 Millionen Euro und 2015 rund 61,5 Millionen Euro gekostet. Für 2016 werde mit Kosten in Höhe von 67,3 Millionen Euro gerechnet. Die Behörden hätten zeitweise »komplett die Kontrolle darüber verloren«, wer sich wann, wo angemeldet habe. Doppelanme­ldungen seien nicht auszuschli­eßen. Abhilfe erwarte man von der Einführung des biometrisc­hen Passes, so dass auch die Behörden die Übersicht zurückgewi­nnen könnten.

Es habe im Zusammenha­ng mit dem Flüchtling­szustrom zwar einen Anstieg der Kriminalit­ät gegeben – jedoch in einem eher geringen und keineswegs überrasche­nden Maße, unterstric­h Kahl. Vor allem ereigne sie sich innerhalb der Flüchtling­sgruppen. Begleitet worden sei das Eintreffen der Flüchtling­e von einem Anstieg politisch motivierte­r Kriminalit­ät, wobei der Schwerpunk­t bei rechtsextr­emer Kriminalit­ät mit 70 Prozent liege. Der Verfassung­sschutz schätze, dass die Zahl islamistis­cher Extremiste­n in Brandenbur­g binnen eines Jahres von 40 auf 70 angestiege­n sei, wobei es sich meist um Tschetsche­nen und weniger um Syrer handle. In Einzelfäll­en seien islamistis­che Werber tätig geworden.

Für die Polizei habe die Gesamtlage eine hohe zusätzlich­e Belastung mit sich gebracht, geschätzt werde ein Mehrbedarf von 480 Beamten, sagte Kahl. Bezogen auf mögliche Bedrohunge­n gebe es viele Hinweise aus der Bevölkerun­g, allerdings würden sich bei genauerem Hinsehen die meisten davon als substanzlo­s erweisen. Man sei mit Falschmeld­ung und Denunziati­on konfrontie­rt. Dennoch müsse die Polizei allen Hinweisen nachgehen, denn sollte es den einen wichtigen Hinweis geben, dürfe er nicht übersehen werden.

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