Profiteure des VW-Debakels
Anwälte und Prozessfinanzierer wittern das große Geschäft mit Klagen von Anlegern
Die VW-Aktien haben seit Beginn des Abgasskandals fast die Hälfte ihres Wertes verloren. Der Fall wird die Gerichte beschäftigen – Anwälte und Investoren freuen sich. Auf den ersten Blick gibt es im Abgasskandal bei VW keine Gewinner: Millionen Autos haben über Jahre zu viel giftiges Stickoxid in die Luft geblasen und damit Umwelt und Gesundheit geschadet, VW-Aktionäre mussten herbe Verluste hinnehmen, VW-Mitarbeiter fürchten um ihre Jobs und dem Konzern drohen Milliardenstrafen. Doch eine Berufsgruppe profitiert ganz sicher von den Folgen des Diesel-Debakels: die Juristen.
VW hat ein Heer von Anwälten für die Aufarbeitung des Skandals und zur Verteidigung gegen Klagen engagiert. Autofahrer klagen auf Schadensersatz. Und nicht zuletzt bemühen sich viele Anwaltskanzleien derzeit um Anleger mit VW-Aktien, denn das könnte lukrativ für die Advokaten werden. Sie sollen den VW-Anteilseignern ihr verlorenes Geld wie- derbeschaffen und würden daran natürlich mitverdienen. Es gibt sogar Investoren, sogenannte Prozessfinanzierer, die auf den Sieg in einem Verfahren von Aktionären gegen VW spekulieren. Wie soll das gehen?
Nach Bekanntwerden der Manipulationen rauschten VW-Aktien steil nach unten – zwischenzeitlich um fast die Hälfte. Noch immer sind sie weit vom Niveau vor dem »Dieselgate« entfernt. Entschädigungen wollen manche Anleger vom Konzern vor Gericht einklagen. »Unsere Klage stützt sich auf die Verletzung von Kapitalmarktinformationspflichten«, sagt Rechtsanwalt Klaus Nieding. Börsennotierte Unternehmen müssen Informationen, die den Kurs erheblich beeinflussen könnten, an ihre Aktionäre weitergeben. Sonst verletzen sie die sogenannte Ad-hoc-Pflicht. Und hier setzen die Klagen an.
VW sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Man lasse die »Diesel-Thematik« unabhängig aufarbeiten, sagt ein Sprecher. »Unabhängig davon sind wir der Überzeugung, dass Volkswagen seine kapitalmarktrechtlichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hat.«
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rät Aktionären, mit Klagen noch abzuwarten: »Wir müssen zunächst sehen, ob überhaupt eine Verletzung der Ad-hocPflicht vorlag und wenn ja, wann VW die Aktionäre hätte informieren müssen«, mahnt DSW-Präsident Ulrich Hocker. Bis die Finanzaufsicht BaFin hier zu einem Ergebnis kommt, dürfte es noch einige Monate dauern, sagt eine Behördensprecherin.
»Dass es eine Verletzung der Adhoc-Pflicht gab, ist eigentlich klar«, meint dagegen Theo Paeffgen, Vorstand des Prozessfinanzierers Foris. Es gebe bereits Anfragen von Klägern, ob Foris ihren Prozess finanziere. Eine solche Finanzierung kann für Kläger sehr wichtig sein: »Nach deutschem Recht muss der die Prozesskosten tragen, der verliert«, erklärt Rechtswissenschaftler Axel Halfmeier von der Universität Lüneburg. »Die Prozesskosten richten sich nach der Höhe des geltend gemachten Schadens.« Prozessfinanzierer tragen gegen eine Erfolgsbeteiligung das Kostenrisiko in einem Gerichtsstreit. Sie sind auch deshalb gefragt, weil oft ein langer Atem nötig ist. Beobachter rechnen auch bei VW mit einer mehrjährigen Auseinandersetzung.
Im Erfolgsfall würde zum Beispiel Foris mindestens 20 Prozent des erstrittenen Geldes von seinen Kunden erhalten. Foris übernimmt die Finanzierung in der Regel aber erst ab einem Streitwert von 100 000 Euro.
Für Kleinanleger bleibt die Sammelklage, wie sie das deutsche Recht Kapitalanlegern möglich macht. Rechtsanwälte und Prozessfinanzierer wie Bentham werben derzeit direkt um Klienten, die sich einer solchen Klage anschließen wollen.
Zuständig ist das Landgericht Braunschweig, wo bislang fast 50 Klagen von Anlegern gegen VW eingegangen sind, wie Gerichtssprecherin Maike Block-Cavallaro sagt. Viele davon seien mit Antrag auf Musterklage verbunden. Wer Musterkläger wird, entscheidet das Oberlandesgericht. Dennoch stellen sich die Kanzleien gerne so dar, als sei es quasi nur noch Formsache, dass genau ihre Klage als Musterklage angenommen wird. Das ist kostenlose Werbung, die noch mehr Kläger anlocken könnte.