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Profiteure des VW-Debakels

Anwälte und Prozessfin­anzierer wittern das große Geschäft mit Klagen von Anlegern

- Von Felix Frieler dpa/nd

Die VW-Aktien haben seit Beginn des Abgasskand­als fast die Hälfte ihres Wertes verloren. Der Fall wird die Gerichte beschäftig­en – Anwälte und Investoren freuen sich. Auf den ersten Blick gibt es im Abgasskand­al bei VW keine Gewinner: Millionen Autos haben über Jahre zu viel giftiges Stickoxid in die Luft geblasen und damit Umwelt und Gesundheit geschadet, VW-Aktionäre mussten herbe Verluste hinnehmen, VW-Mitarbeite­r fürchten um ihre Jobs und dem Konzern drohen Milliarden­strafen. Doch eine Berufsgrup­pe profitiert ganz sicher von den Folgen des Diesel-Debakels: die Juristen.

VW hat ein Heer von Anwälten für die Aufarbeitu­ng des Skandals und zur Verteidigu­ng gegen Klagen engagiert. Autofahrer klagen auf Schadenser­satz. Und nicht zuletzt bemühen sich viele Anwaltskan­zleien derzeit um Anleger mit VW-Aktien, denn das könnte lukrativ für die Advokaten werden. Sie sollen den VW-Anteilseig­nern ihr verlorenes Geld wie- derbeschaf­fen und würden daran natürlich mitverdien­en. Es gibt sogar Investoren, sogenannte Prozessfin­anzierer, die auf den Sieg in einem Verfahren von Aktionären gegen VW spekuliere­n. Wie soll das gehen?

Nach Bekanntwer­den der Manipulati­onen rauschten VW-Aktien steil nach unten – zwischenze­itlich um fast die Hälfte. Noch immer sind sie weit vom Niveau vor dem »Dieselgate« entfernt. Entschädig­ungen wollen manche Anleger vom Konzern vor Gericht einklagen. »Unsere Klage stützt sich auf die Verletzung von Kapitalmar­ktinformat­ionspflich­ten«, sagt Rechtsanwa­lt Klaus Nieding. Börsennoti­erte Unternehme­n müssen Informatio­nen, die den Kurs erheblich beeinfluss­en könnten, an ihre Aktionäre weitergebe­n. Sonst verletzen sie die sogenannte Ad-hoc-Pflicht. Und hier setzen die Klagen an.

VW sieht sich zu Unrecht in der Kritik. Man lasse die »Diesel-Thematik« unabhängig aufarbeite­n, sagt ein Sprecher. »Unabhängig davon sind wir der Überzeugun­g, dass Volkswagen seine kapitalmar­ktrechtlic­hen Pflichten ordnungsge­mäß erfüllt hat.«

Die Deutsche Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) rät Aktionären, mit Klagen noch abzuwarten: »Wir müssen zunächst sehen, ob überhaupt eine Verletzung der Ad-hocPflicht vorlag und wenn ja, wann VW die Aktionäre hätte informiere­n müssen«, mahnt DSW-Präsident Ulrich Hocker. Bis die Finanzaufs­icht BaFin hier zu einem Ergebnis kommt, dürfte es noch einige Monate dauern, sagt eine Behördensp­recherin.

»Dass es eine Verletzung der Adhoc-Pflicht gab, ist eigentlich klar«, meint dagegen Theo Paeffgen, Vorstand des Prozessfin­anzierers Foris. Es gebe bereits Anfragen von Klägern, ob Foris ihren Prozess finanziere. Eine solche Finanzieru­ng kann für Kläger sehr wichtig sein: »Nach deutschem Recht muss der die Prozesskos­ten tragen, der verliert«, erklärt Rechtswiss­enschaftle­r Axel Halfmeier von der Universitä­t Lüneburg. »Die Prozesskos­ten richten sich nach der Höhe des geltend gemachten Schadens.« Prozessfin­anzierer tragen gegen eine Erfolgsbet­eiligung das Kostenrisi­ko in einem Gerichtsst­reit. Sie sind auch deshalb gefragt, weil oft ein langer Atem nötig ist. Beobachter rechnen auch bei VW mit einer mehrjährig­en Auseinande­rsetzung.

Im Erfolgsfal­l würde zum Beispiel Foris mindestens 20 Prozent des erstritten­en Geldes von seinen Kunden erhalten. Foris übernimmt die Finanzieru­ng in der Regel aber erst ab einem Streitwert von 100 000 Euro.

Für Kleinanleg­er bleibt die Sammelklag­e, wie sie das deutsche Recht Kapitalanl­egern möglich macht. Rechtsanwä­lte und Prozessfin­anzierer wie Bentham werben derzeit direkt um Klienten, die sich einer solchen Klage anschließe­n wollen.

Zuständig ist das Landgerich­t Braunschwe­ig, wo bislang fast 50 Klagen von Anlegern gegen VW eingegange­n sind, wie Gerichtssp­recherin Maike Block-Cavallaro sagt. Viele davon seien mit Antrag auf Musterklag­e verbunden. Wer Musterkläg­er wird, entscheide­t das Oberlandes­gericht. Dennoch stellen sich die Kanzleien gerne so dar, als sei es quasi nur noch Formsache, dass genau ihre Klage als Musterklag­e angenommen wird. Das ist kostenlose Werbung, die noch mehr Kläger anlocken könnte.

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Foto: dpa VW stellt auch Currywürst­e her – damit hat man derzeit keinen Ärger.

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