nd.DerTag

Mauerstein­e

- Uwe Kalbe über Schein und Realität deutscher Flüchtling­spolitik

Wenn am Donnerstag, eine Woche nur nach der Ersten Lesung, das Asylpaket II vom Bundestag beschlosse­n wird, ist dies ein Baustein in der Mauer, die Deutschlan­d errichtet, um Flüchtling­e aufzuhalte­n. Diese Mauer entsteht nicht entlang der Grenze, sondern erst auf den zweiten Blick sichtbar im Paragrafen­dschungel, was Deutschlan­d noch immer den Anschein eines für Flüchtling­e offenen Landes verleiht und Angela Merkel den einer Willkommen­skanzlerin. Doch »Wir schaffen das« ist längst die Losung der Entschloss­enheit zum Rückbau des Asylrechts geworden.

Wer sich nicht mit dem Schein begnügt, kann Amnesty Internatio­nal zuhören. In ihrem Jahresberi­cht kommt auch die Menschenre­chtsorgani­sation zum Schluss, dass Deutschlan­d längst nicht das flüchtling­sfreundlic­he Land ist, für das es weniger aufmerksam­e Zeitgenoss­en noch immer halten und als das es von Pegida beschimpft wird. Amnesty betrachtet die Flüchtling­skrise überdies nicht erst da, wo sie zum Kostenfakt­or wird und zum Zankapfel zwischen Bund und Kommunen. Schon dort, wo die Flucht der Menschen beginnt, beginnt auch die Empathieve­rweigerung. Versproche­ne Hilfen für Geflohene bleiben aus, Fluchtgrün­de werden vertieft statt beseitigt. Und im Bundestag vollendet sie sich. Am Mittwoch blieben Merkel und ihre Minister der Debatte über Rassismus in und um Clausnitz und angezündet­e Flüchtling­sheime fern.

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