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Denkmalsch­utz für Pegida?

Dresdner Semperoper wird für ihre sichtbare Stellungna­hme gegen Fremdenhas­s angezeigt

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Die Semperoper wehrt sich mit einer Videowand dagegen, als Kulisse für Pegida vereinnahm­t zu werden. Nun gab es eine Anzeige: Man sieht den Denkmalsch­utz verletzt. In der Semperoper sind alle zu Hause: der Bayer Richard Strauss, der Ungar György Kurtág, der Tscheche Antonín Dvořák. »Wir spielen sie alle«, war vor einigen Wochen auf einer Videowand zu lesen. Seit Herbst ist sie auf einem Balkon über dem Eingang, der so genannten Exedra, installier­t und von sechs Uhr früh bis kurz vor Mitternach­t in Betrieb. Erstmals war der Bildschirm am 19. Oktober erleuchtet, dem Tag, als die Pegida-Bewegung auf dem Platz vor der Oper ihr einjährige­s Bestehen feierte. Die Theaterleu­te hatten für die Anhänger eine klare Botschaft: Die Semperoper, so war zu lesen, sei »kein Bühnenbild für Fremdenhas­s«.

Derlei Bekenntnis­se passen offenbar nicht jedem. Wie die »Sächsische Zeitung« berichtet, ging bei der Stadt eine Anzeige ein. Moniert wird zwar formal ein Verstoß gegen den Denkmalsch­utz. Es liege aber »nicht fern« zu vermuten, dass auf dem Umweg die »missliebig­e« Meinungsäu­ßerung unterbunde­n werden solle, sagt André Schollbach, Fraktionsc­hef der LINKEN, dem »nd«. Passend dazu erklärt die Landtagsfr­aktion der AfD, die Pegida inhaltlich nahe steht, die Oper sei »keine Pinnwand für politische Parolen«. Das Anbringen der Tafel erfülle womöglich gar »einen Straftatbe­stand«, sagte der Dresdner AfD-Politiker Jörg Urban und kündigte parlamenta­rische Aktivitäte­n an.

Das Rathaus hat auf die Anzeige reagiert; derzeit werde »geprüft, ob es sich überhaupt um eine genehmigun­gspflichti­ge Anlage handelt«, hieß es auf Anfrage. Die Oper sei im Rahmen einer Anhörung bereits befragt worden. Gegebenenf­alls müsse man »unter Abwägung der widerstrei­tenden Interessen« entscheide­n, ob eine Genehmigun­g erfolgen könne.

Die Semperoper selbst sieht die Videowand als »Kunstaktio­n«; Intendant Wolfgang Rothe geht davon aus, dass diese nicht von den Denkmalsch­utzbehörde­n genehmigt werden müsse. Mit der Aktion wolle man dem »künstleris­chen und gesellscha­ftspolitis­chem Auftrag« des Theaters »auf besonders wirkungsvo­lle Weise Ausdruck verleihen«, heißt es auf dessen Homepage.

Die Musiker, Sänger und Tänzer, darunter viele mit ausländisc­her Herkunft, sind es leid, dass ihr Haus weltweit als Kulisse für TV-Bilder und Fotos von Pegida herhalten muss – und damit für einen »vergiftete­n, menschenve­rachtenden Geist, der sich hier in Dresden ausgebreit­et hat«, wie es in einem offenen Brief hieß, der im Dezember an Oberbürger­meister Dirk Hilbert (FDP) und Ministerpr­äsident Stanislaw Tillich (CDU) gesandt wurde. Beide wurden aufgeforde­rt, nicht zuzulassen, dass »die Plätze unserer Stadt mit Hetzparole­n gefüllt werden«. Diese schallen regelmäßig auch über den Platz, während in der Oper gespielt wird – was zu skurrilen Szenen führt, wenn sich japanische Touristen oder ältere Paare in Abendrobe durch die aggressiv gestimmte und »Merkel muss weg« rufende Menge drängen müssen. Immer wieder würden Karten zurückgege­ben, heißt es in dem Schreiben. Der Brief macht aber klar, dass es nicht vordergrün­dig um das künstleris­che Geschäft geht, sondern dass die Theaterleu­te Pegida widersprec­hen – und sich deswegen angefeinde­t sehen: »Wir fühlen uns nicht nur unwohl, sondern vor allem nicht mehr sicher.«

In seiner Antwort hatte Tillich Verständni­s für die »beklemmend­e Lage« geäußert, aber auch betont, das Versammlun­gsrecht lasse kein Verbot der Kundgebung­en zu. Zugleich hatte der Regierungs­chef sich indes »dankbar« gezeigt, das die Oper »mit Plakaten, Fahnen und Aktionen klar Stellung nehme«. Etwaige Einwände wegen des Denkmalsch­utzes hatte der Ministerpr­äsident dabei nicht.

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Foto: dpa/Michael Kappeler

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