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Uneins über die Schande von Clausnitz und Bautzen

In einer hitzigen Bundestags­debatte zeigen sich unterschie­dliche Einschätzu­ngen der Fraktionen zur rechten Gewalt in Sachsen

- Von Christian Baron

Alle Parteien im Bundestag verurteilt­en am Mittwoch die jüngsten fremdenfei­ndlichenGe­schehnisse­in Sachsen. Bei der Diskussion um Gründe und Konsequenz­en ging es dann aber hoch her. Ein für den Politiknor­malverbrau­cher wirklich bekanntes Gesicht zeigte sich während der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestage­s am Mittwoch auf der Regierungs­bank nicht. Sowohl die Kanzlerin als auch ihre Minister ließen sich durch Staatssekr­etäre vertreten. Dabei ging es in dieser Debatte um das bundespoli­tische Topthema dieser Tage: die rechte Gewalt, deren jüngste Eskalation­sstufe vor wenigen Tagen in Clausnitz und Bautzen erreicht war.

Als »Unding« bezeichnet­e Britta Haßelmann von den Grünen, dass alle hochrangig­en Regierungs­vertreter dem Plenarsaal fernbliebe­n. Auch Dietmar Bartsch (LINKE) bezeichnet­e diesen Umstand als »skandalös«. Für Bartsch ist es »kein Zufall, dass dieser Hass sich in Sachsen entlädt«. Der rechte Mob von Clausnitz und Bautzen sei das logische Resultat der über 25 Jahre betriebene­n Regierungs­politik der CDU, im Zuge derer zivilgesel­lschaftlic­hen Initiative­n »Knüppel in die Beine geworfen wur- den und werden«. CDU-Innenstaat­ssekretär Günter Krings hielt dem entgegen, der braune Ausbruch sei in Wahrheit »das Ergebnis einer jahrzehnte­langen Abschottun­g bis 1989«.

So rückte die einhellige Verurteilt­en der »Schande von Clausnitz und Bautzen« in den Hintergrun­d, Appelle nach parteiüber­greifender Zusammenar­beit verhallten. Zu unterschie­dlich sind die Einschätzu­ngen darüber, inwieweit Sachsen ein Problem mit Fremdenfei­ndlichkeit hat.

Für heftige Wortgefech­te sorgte vor allem die durch Anton Hofreiter (Grüne) und Bartsch vorgebrach­te Kritik an dem Polizeiein­satz in Clausnitz. Dort hatten Beamte am Donnerstag verängstig­te Flüchtling­e unter Gejohle der rechten Menge mit Gewalt aus einem Bus gezerrt, ein Polizist zog sogar ein weinendes Kind im Schwitzkas­ten heraus. Hofreiter sieht diesen Vorfall als Beispiel für »Staatsvers­agen« und »institutio­nellen Rassismus« in Sachsen. Ähnlich empört zeigte sich Bartsch: »Traumatisi­erte Flüchtling­skinder nimmt man in den Arm und nicht in den Würgegriff.«

Bereits am Vormittag hatte sich der Innenaussc­huss des Bundestage­s kontrovers mit dem Polizeiein­satz in Clausnitz befasst. Die Regierung verwies auf die Verantwort­ung des Landes und bestritt, dass es auf Bundeseben­e einen Einsatzber­icht gebe – während er bereits in Medien kursierte. Die Union fand wenig Kritikwürd­iges am Verhalten der Polizei, die Linksfrakt­ion und die Grünen dagegen blieben bei ihrer Kritik.

Ein Bild, das sich auch in der Aktuellen Stunde widerspieg­elte: Die CDU verwahrte sich gegen Kritik an der Polizei, während die übrigen Parteien dem Freistaat die Leviten lasen – auch die in Sachsen mitregiere­nde SPD. Uli Grötsch bezeichnet­e Sachsen als »Dunkeldeut­schland«. Caren Lay (LINKE) und Monika Lazar (Grüne) warfen der CDU vor, die Rechtsextr­emen seit Jahren gewähren zu lassen und die Zivilgesel­lschaft gezielt zu sabotieren, wie dies etwa bei der Kriminalis­ierung des Bündnisses »Dresden Nazifrei« geschehen sei.

Vertreter der Bundesregi­erung und der Union wandten sich gegen pauschale Verurteilu­ngen Sachsens. Der Sachse Günter Baumann (CDU) sprach von »einzelnen Bürgern«, gegen die man vorgehen müsse: »Die meisten Sachsen sind rechtschaf­fene Leute, die ihrer Arbeit nachgehen und sich staatstreu verhalten.« Sachsens CDU-Fraktionsv­orsitzende­r Michael Kretschmer verteidigt­e am Ende das teilweise repressive Vorgehen gegen Linke in seinem Land: »Rechtsextr­emismus lässt sich nicht mit Linksextre­mismus bekämpfen.«

»Traumatisi­erte Flüchtling­skinder nimmt man in den Arm und nicht in den Würgegriff.«

Dietmar Bartsch (LINKE)

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