Uneins über die Schande von Clausnitz und Bautzen
In einer hitzigen Bundestagsdebatte zeigen sich unterschiedliche Einschätzungen der Fraktionen zur rechten Gewalt in Sachsen
Alle Parteien im Bundestag verurteilten am Mittwoch die jüngsten fremdenfeindlichenGeschehnissein Sachsen. Bei der Diskussion um Gründe und Konsequenzen ging es dann aber hoch her. Ein für den Politiknormalverbraucher wirklich bekanntes Gesicht zeigte sich während der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am Mittwoch auf der Regierungsbank nicht. Sowohl die Kanzlerin als auch ihre Minister ließen sich durch Staatssekretäre vertreten. Dabei ging es in dieser Debatte um das bundespolitische Topthema dieser Tage: die rechte Gewalt, deren jüngste Eskalationsstufe vor wenigen Tagen in Clausnitz und Bautzen erreicht war.
Als »Unding« bezeichnete Britta Haßelmann von den Grünen, dass alle hochrangigen Regierungsvertreter dem Plenarsaal fernblieben. Auch Dietmar Bartsch (LINKE) bezeichnete diesen Umstand als »skandalös«. Für Bartsch ist es »kein Zufall, dass dieser Hass sich in Sachsen entlädt«. Der rechte Mob von Clausnitz und Bautzen sei das logische Resultat der über 25 Jahre betriebenen Regierungspolitik der CDU, im Zuge derer zivilgesellschaftlichen Initiativen »Knüppel in die Beine geworfen wur- den und werden«. CDU-Innenstaatssekretär Günter Krings hielt dem entgegen, der braune Ausbruch sei in Wahrheit »das Ergebnis einer jahrzehntelangen Abschottung bis 1989«.
So rückte die einhellige Verurteilten der »Schande von Clausnitz und Bautzen« in den Hintergrund, Appelle nach parteiübergreifender Zusammenarbeit verhallten. Zu unterschiedlich sind die Einschätzungen darüber, inwieweit Sachsen ein Problem mit Fremdenfeindlichkeit hat.
Für heftige Wortgefechte sorgte vor allem die durch Anton Hofreiter (Grüne) und Bartsch vorgebrachte Kritik an dem Polizeieinsatz in Clausnitz. Dort hatten Beamte am Donnerstag verängstigte Flüchtlinge unter Gejohle der rechten Menge mit Gewalt aus einem Bus gezerrt, ein Polizist zog sogar ein weinendes Kind im Schwitzkasten heraus. Hofreiter sieht diesen Vorfall als Beispiel für »Staatsversagen« und »institutionellen Rassismus« in Sachsen. Ähnlich empört zeigte sich Bartsch: »Traumatisierte Flüchtlingskinder nimmt man in den Arm und nicht in den Würgegriff.«
Bereits am Vormittag hatte sich der Innenausschuss des Bundestages kontrovers mit dem Polizeieinsatz in Clausnitz befasst. Die Regierung verwies auf die Verantwortung des Landes und bestritt, dass es auf Bundesebene einen Einsatzbericht gebe – während er bereits in Medien kursierte. Die Union fand wenig Kritikwürdiges am Verhalten der Polizei, die Linksfraktion und die Grünen dagegen blieben bei ihrer Kritik.
Ein Bild, das sich auch in der Aktuellen Stunde widerspiegelte: Die CDU verwahrte sich gegen Kritik an der Polizei, während die übrigen Parteien dem Freistaat die Leviten lasen – auch die in Sachsen mitregierende SPD. Uli Grötsch bezeichnete Sachsen als »Dunkeldeutschland«. Caren Lay (LINKE) und Monika Lazar (Grüne) warfen der CDU vor, die Rechtsextremen seit Jahren gewähren zu lassen und die Zivilgesellschaft gezielt zu sabotieren, wie dies etwa bei der Kriminalisierung des Bündnisses »Dresden Nazifrei« geschehen sei.
Vertreter der Bundesregierung und der Union wandten sich gegen pauschale Verurteilungen Sachsens. Der Sachse Günter Baumann (CDU) sprach von »einzelnen Bürgern«, gegen die man vorgehen müsse: »Die meisten Sachsen sind rechtschaffene Leute, die ihrer Arbeit nachgehen und sich staatstreu verhalten.« Sachsens CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Kretschmer verteidigte am Ende das teilweise repressive Vorgehen gegen Linke in seinem Land: »Rechtsextremismus lässt sich nicht mit Linksextremismus bekämpfen.«
»Traumatisierte Flüchtlingskinder nimmt man in den Arm und nicht in den Würgegriff.«
Dietmar Bartsch (LINKE)