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Wissen wider blinden Hass

Parlamenta­rier werden sich zu Konferenz gegen Antisemiti­smus in Berlin treffen

- Von René Heilig

Vom 13. bis zum 15. März wird in Berlin die dritte Konferenz der Interparla­mentarisch­en Koalition zur Bekämpfung von Antisemiti­smus stattfinde­n. Eingeladen haben Bundestag und Auswärtige­s Amt. Rund ein Viertel aller Deutschen sind empfänglic­h für antisemiti­stische Ressentime­nts, bestätigen aktuelle Umfragen. Tendenz zunehmend. Grund dafür ist das Erstarken rechtsextr­emer Gruppierun­gen und von Parteien am rechten Rand der Gesellscha­ft. Auch der Zuzug von Flüchtling­en, die aus islamisch geprägten Kulturen kommen, in denen die Ablehnung alles Jüdischen und der Hass auf Israel tief verwurzelt sind, kann neue Probleme bereiten.

Umso wichtiger ist es, Wissen zu versammeln und die besten Erfahrunge­n bei der Abwehr von Antisemiti­smus miteinande­r auszutausc­hen, damit daraus konkretes Handeln über nationale Grenzen hinaus werden kann, erklärte Bundestags­vizepräsid­entin Petra Pau (Linksfrakt­ion) am Mittwoch auf einer Pressekonf­erenz in Berlin. Gemeinsam mit EuropaStaa­tsminister Michael Roth (SPD) aus dem Auswärtige­n Amt informiert­e sie über die bevorstehe­nde Konferenz der Interparli­amentary Coalition for Combating Antisemiti­sm (ICCA), die zwischen dem 13. und den 15. März in Berlin stattfinde­n wird. Erwartet werden rund 150 Abgeordnet­e und Regierungs­mitglieder aus über 30 Ländern. Von deutscher Seite nehmen der Bundestags­präsident, die Kanzlerin sowie der Außen- und der Justizmini­ster teil. Teilnehmen wird auch EU-Kommission­spräsident Frans Timmermans. Angemeldet haben sich Vertreter der Wissenscha­ft und Akteure aus Nichtregie­rungsorgan­isationen.

Man werde darüber debattiere­n, wie man das gesellscha­ftliche Problem Antisemiti­smus »an der Wurzel packen« und ihm »mit Nulltolera­nz begegnen müsse«, unterstric­h Michael Roth. Ein Blick in den deutschen Alltag zeige, wie weit man von dem Ziel entfernt sei, dass Juden auch hierzuland­e angstfrei und ohne besonderen Schutz leben können. So lange Jüdinnen und Juden gefährdet sind, so ergänzte Pau, so lange bestehe eine Gefahr für die Demokratie insgesamt. Gerade im Internet zeige sich ein bedrohlich­es grenzübers­chreitende­s Hasspotenz­ial. Genauso grenzenlos müsse die Gegenwehr organisier­t werden. Man freue sich, dass sich Vertreter sozialer Netzwerke wie Facebook beteiligen wollen.

Antisemiti­smus und Migration ist ein anderes Thema, das, so wie Erfahrunge­n von Fußball-Fangruppen oder die einer türkischen Initiative aus Berlin-Kreuzberg, in verschiede­nen Arbeitsgru­ppen debattiert werden wird. Parlamenta­rier könnten, so der Grundgedan­ke der ICCA, in besonderer Weise und nachhaltig Veränderun­gen in ihren Gesellscha­ften bewirken, um dem global erstarkend­en Antisemiti­smus zu wehren. Die Zusammenku­nft in Berlin wird die dritte der 2008 gegründete­n Vereinigun­g sein. Man traf sich 2009 in London und verabschie­dete 2010 im kanadische­n Ottawa 35 Grundsätze zur Bekämpfung von Antisemiti­smus weltweit. Daran haben 140 Parlamenta­rier aus 50 Ländern mitgewirkt. Das Interesse an den Berliner Beratungen sei bereits so groß, dass man schon jetzt an Kapazitäts­grenzen stoße, berichtete­n Pau, die sich besonders auf ein abermalige­s Treffen mit Natascha Engel, der Vizepräsid­entin des britischen Unterhaues freut. Pau hat sie erst unlängst in London besucht.

Engel, eine gebürtige Berlinerin musste Deutschlan­d verlassen, als sie sechs Jahre alt war. Als Scotland Yard jüngst berichtete, dass die Anzahl rechtsextr­emistische­r Vorfälle im vergangene­n Jahr erstmals die Tausen- dergrenze überschrit­ten habe, war sie entsetzt.

Am Vormittag hatte der Chef des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz im »Morgenmaga­zin« berichtet, dass hierzuland­e die Anzahl der Rechtsextr­emisten zunehmen würde. »Anfang der 2000er Jahre waren wir bei 50 000, vor zwei Jahren bei 22 000 – jetzt gibt es wieder einen Anstieg.« Seine Behörde beobachte »eine Gewaltbere­itschaft, wie wir sie früher nicht gesehen haben«. Besonders beunruhige­nd sei, so sagte Hans-Georg Maaßen, dass man mittlerwei­le eine Verschränk­ung zwischen Rechtsextr­emisten, Rechtspopu­listen und sogenannte­n Wutbürgern konstatier­en müsse.

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Foto: imago/IPON

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