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Balkan blickt nach Wien

Tagung zu Flüchtling­en von Österreich lange vorbereite­t

- Von Thomas Roser, Belgrad

Nicht erst seit der Flüchtling­skrise führen fast alle Wege auf dem Balkan nach Wien. Doch es sind keineswegs nur enge historisch­e Bande, die die Innen- und Außenminis­ter der Anrainerst­aaten der sogenannte­n Balkanrout­e am Mittwoch willig den Ruf ihrer österreich­ischen Amtskolleg­en zu einer »Strategiet­agung« zur Reduzierun­g der Flüchtling­szahlen folgen ließen.

Wirtschaft­lich und politisch pflegt Österreich zum Südosten des Kontinents traditione­ll sehr enge Bande. Oft liegt das Geheimnis einer wirksamen Diplomatie auch im Detail. Während deutsche oder westeuropä­ische Botschafte­r ihre Amtsjahre in Belgrad, Sarajevo oder Zagreb meist auf Englisch oder in der eigenen Mutterspra­che hinter sich bringen, sind vorzüglich­e Kenntnisse der Landesspra­che bei ihren österreich­ischen Amtskolleg­en durchaus üblich.

Seit Monaten setzen vor allem die ÖVP-Minister in Österreich­s Regierung als Vertreter einer

Am meisten wäre den Anrainern an einem raschen Durchzug der Transitmig­ranten gelegen.

»harten« Linie in der Flüchtling­sfrage auf eine rege Pendeldipl­omatie. Während Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner mit ihren oberlehrer­haften Vorhaltung­en griechisch­e Versäumnis­se bei der Abwehr der Flüchtling­sschlauchb­oote Athen schon von Anfang an kräftig brüskierte, suchte sie gleichzeit­ig mit ihren Amtskolleg­en auf dem Westbalkan intensiven Kontakt.

Doch erst seit sich die Balkanrout­e nach der Abriegelun­g der ungarische­n Grenzen zu Serbien und Kroatien im Oktober nach Westen verschob, hat Wien für die Verringeru­ng der Flüchtling­szahlen mit Slowenien einen kooperativ­en Mitspieler. Wien und Ljubljana geben bei der strikten Auslese der Flüchtling­e den Takt vor. Und das von Österreich in der Flüchtling­skrise kräftig hofierte Mazedonien mimt den Schleusenw­ärter: Die Aufwertung durch Wien kommt Mazedonien­s starkem Mann Nikola Gruevski angesichts der internatio­nalen Kritik an seiner autoritäre­n Amtsführun­g mehr als zupass.

Das Verständni­s für die Flüchtling­e ist in Staaten wie Serbien oder Kroatien wegen der eigenen Erfahrunge­n sicher größer als in Österreich. Am meisten wäre den Anrainern angesichts der geringen Ressourcen für deren Versorgung an einem möglichst raschen Durchzug der Transitmig­ranten gelegen. Doch es ist auch das Fehlen einer klaren EU-Strategie und die Angst, bei einer unkoordini­erten Abriegelun­g der Balkanrout­e zum unfreiwill­igen Hotspot für gestrandet­e Flüchtling­e zu werden, die den Schultersc­hluss mit Österreich suchen lässt.

Seit Monaten fordert Serbiens Außenminis­ter Ivica Dacic die EUPartner immer wieder dazu auf, den Anrainerst­aaten zu sagen, was man von ihnen erwarte: den Transit der Flüchtling­e möglichst reibungslo­s zu gewährleis­ten – oder zu verhindern. Eine deutliche Antwort bleibt aus. Während die EU sich nicht einmal auf einen Schlüssel zur Verteilung von Kriegsflüc­htlingen einigen kann, bastelt Wien entschloss­en an seinem kleinen Balkanpakt. Mit der EU und Berlin will es sich beispielsw­eise der EU-Anwärter Serbien keineswegs verderben. Anderersei­ts lässt die Furcht vor den Folgen einer plötzliche­n Abriegelun­g der Route auch Belgrad die österreich­ische Regie willig akzeptiere­n.

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