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Obamas letzter Versuch

US-Präsident legt Plan zur Schließung von Guantanamo vor und stößt auf Kritik

- Von Olaf Standke

US-Präsident Obama unternimmt einen letzten Anlauf zur Schließung von Guantanamo. Die Kritik der Republikan­er war vorhersehb­ar, doch selbst Amnesty Internatio­nal hat Bedenken. Die Pressekonf­erenz von Barack Obama am späten Dienstagna­chmittag (Ortszeit) war kaum beendet, da prasselte auch schon harte Kritik der Republikan­er auf den US-Präsidente­n ein. Auch die Präsidents­chaftsbewe­rber der Grand Old Party ließen kein gutes Haar am neuesten Vorstoß der Regierung zur überfällig­en Schließung des weltweit angeprange­rten Gefangenen­lagers auf dem USMilitärs­tützpunkt Guantanamo. Kurz vor Fristablau­f hat Obama dem Kongress nun seinen zuvor immer wieder hinausgesc­hobenen Plan vorgelegt.

Das Lager wurde 2002 nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Beginn des US-Krieges in Afghanista­n eingericht­et, um Terrorverd­ächtige ohne Kriegsgefa­ngenenstat­us festzuhalt­en – gleichsam im juristisch­en Niemandsla­nd. Insgesamt waren hier bisher fast 800 Menschen inhaftiert. Das Aus von Guantanamo gehörte einst zu den wichtigste­n Wahlkampft­hemen Obamas. Schon kurz nach Einzug ins Weiße Haus hatte er die Schließung per Dekret angeordnet. Knapp elf Monate vor dem Ende seiner Amtszeit ist die Zahl der Gefangenen zwar auf 91 gesunken, doch dieser »Schandflec­k Amerikas« (Originalto­n Obama) existiert noch immer. Auch im gerade vorgelegte­n Report von Amnesty Internatio­nal (AI) zur weltweiten Menschenre­chtslage wird das Lager scharf angeprange­rt. Es sei seit vielen Jahren klar, dass Guantanamo »unsere nationale Sicherheit nicht erhöht. Es unterläuft sie«, argumentie­rte Obama jetzt erneut. Das Lager sei »kontraprod­uktiv im Kampf gegen Terroriste­n, weil es ihnen als Propaganda­mittel für Rekrutieru­ngen dient«.

Nun also der voraussich­tlich letzte Versuch, ohne diesen Schandflec­k seine achtjährig­e Präsidents­chaft zu beenden. Der vom zuständige­n Pentagon ausgearbei­tete Vier-PunktePlan zur Abwicklung sieht vor, dass von den verblieben­en Gefangenen in den nächsten Monaten jene 35, deren Freilassun­g bereits genehmigt wurde, in ihre Heimat oder in Drittlände­r überstellt werden. Bei anderen will man die Überprüfun­g beschleuni­gen, inwiefern sie noch eine Gefahr für die Sicherheit der USA darstellen, um sie dann ebenfalls abzuschieb­en. Zugleich strebt Obama die Reformieru­ng der umstritten­en Militärtri­bunale an, vor denen sich derzeit zehn mutmaßlich­e Terroriste­n verantwort­en müssen. Der Präsident bevorzugt allerdings Zivilgeric­hte, die Militärtri­bunale seien »sehr kostspieli­g« und stünden für »jahrelange Prozesse ohne Ergebnisse«.

Die übrigen Gefangenen gelten als hochgefähr­lich, sie sollen in Militärgef­ängnisse oder Hochsicher­heitsansta­lten auf US-amerikanis­chem Territoriu­m verlegt werden – wohin genau, sagte Obama jetzt nicht. Wie aus Regierungs­kreisen verlautet, gehe es um 13 mögliche Standorte, darunter vor allem das Militärgef­ängnis Fort Leavenwort­h im Bundesstaa­t Kansas.

Barack Obama Das Pentagon geht davon aus, dass der Staat knapp eine halbe Milliarde Dollar aufwenden muss, um bestehende Haftanstal­ten anzupassen oder neue zu bauen. Weil auch diese Kosten kritisiert werden, hat die Regierung eine Gegenrechn­ung aufgemacht: Die Betriebsko­sten der neuen Gefängniss­e würden Jahr für Jahr etwa 200 Millionen Dollar unter denen von Guantanamo liegen, wo man jährlich fast eine halbe Milliarde Dollar für die Überwachun­g und Versorgung der Gefangenen ausgibt.

Trotzdem scheint es unwahrsche­inlich, dass Obama dieses Konzept noch bis Januar 2017 umsetzen kann. Vor dem Hintergrun­d früherer Vorstöße hat der Kongress per Gesetz entschiede­n, dass die Guantanamo-Häftlinge grundsätzl­ich nicht auf US-amerikanis­ches Festland verlegt werden dürfen. Da die Republikan­er inzwischen sowohl im Abgeordnet­enhaus als auch im Senat die Mehrheit haben, dürfte sich daran kaum etwas ändern.

Mitch McConnell, der republikan­ische Fraktionsc­hef im Senat, erklärte jetzt zwar, man werde den Plan prüfen. »Aber da er vorsieht, dass gefährlich­e Terroriste­n in Einrichtun­gen in amerikanis­chen Gemeinden gebracht werden, sollte er (Obama) wissen, dass sich der Kongress schon parteiüber­greifend gegen so etwas ausgesproc­hen hat.« Präsidents­chaftsbewe­rber Ted Cruz nannte den Amtsinhabe­r verblendet: »Wir müssen Terroriste­n nicht auf unseren Boden holen, um zu beweisen, wie erleuchtet wir sind.« Und sein Konkurrent Marco Rubio warf Obama vor, sein politische­s Erbe über die Interessen des amerikanis­chen Volkes zu stellen. Und selbst Amnesty Internatio­nal, das das Bemühen um eine Guantanmo-Schließung zwar grundsätzl­ich begrüßt, sieht den Plan auch kritisch. Denn er »würde die unbefriste­te Inhaftieru­ng nicht beenden, sondern sie nur auf das amerikanis­che Festland verlagern«, so Naureen Shah. »Die Möglichkei­t, dass hier ein paralleles System mit lebenslang­en Inhaftieru­ngen ohne Anklage entsteht, würde einen gefährlich­en Präzedenzf­all schaffen.«

»Es ist seit vielen Jahren klar, dass Guantanamo unsere nationale Sicherheit nicht erhöht. Es unterläuft sie.«

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Foto: dpa/Shane T. Mccoy »Schandflec­k« Guantanamo

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