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Schockfoto­s auf der Zigaretten­schachtel

Hersteller wollen Bundestags­abstimmung über die EU-Tabakricht­linie um ein Jahr verschiebe­n

- Von Andrea Tebart

Das Rauchen soll einem vergehen. Eine EU-Richtlinie sieht große, schockiere­nde Fotos auf Zigaretten­packungen vor. Stimmt der Bundestag an diesem Donnerstag zu, tritt das Gesetz zum 20. Mai in Kraft. Die Tabakindus­trie will, dass die Bundestags­abgeordnet­en den Termin der Abstimmung über die Umsetzung der EU-Tabakricht­linie um zwölf Monate hinausschi­eben. Die Lobbyisten trugen ihre Begründung vergangene Woche auf einer Anhörung im Agraraussc­huss vor. Gerade mittelstän­dische Zigaretten­hersteller hätten Schwierigk­eiten, die vorgesehen­en Neuerungen druck- und verpackung­stechnisch umzusetzen, hieß es da. Die anwesenden Gesundheit­sexperten plädierten hingegen für eine sofortige Umsetzung der EU-Richtlinie.

Zu den Neuerungen gehört, dass Warnhinwei­se auf Zigaretten- und Tabakpacku­ngen künftig 65 Prozent der Vorder- und Rückseite einnehmen sowie Text und Bild kombiniert werden müssen. Aromen wie Menthol und andere Zusatzstof­fe dürfen nicht mehr verwendet werden. Für Marken wie Golden American, Winfield, Peer 100, Lux oder Krone könnte das zur Folge haben, dass sie vom Markt verschwind­en, weil sich die Umstellung der Produktion nicht lohnt. Auch wenn die Umsetzung der Richtlinie nicht verschoben wird – Hersteller dürfen ein Jahr länger die alten Verpackung­en verkaufen und auf Vorrat produziere­n.

Aber wie wirken die abstoßende­n Fotos eines Karzinoms, einer Raucherlun­ge, eines offenen Brustkorbs oder gealterter Haut auf einen Raucher, der den »Genuss« sucht und mit dem Gegenteil konfrontie­rt wird? Kanada hat seit 2001 solche »Foto-Erfahrung«: 90 Prozent der Jugendlich­en fühlen sich durch diese Bilder informiert und finden das Rauchen weniger attraktiv. Eine Beobachtun­g, die die Gesundheit­spsycholog­in Britta Renner von der Universitä­t Kon- stanz bestätigt: »Früher fanden sie es cool. Mit den Fotos wird das soziale Image des Rauchens torpediert.«

1973 haben in Deutschlan­d 63 Prozent der 18- bis 25-Jährigen mit dem Rauchen begonnen. 2011 waren es noch 36,8 Prozent. »Gerade Steuererhö­hungen haben den Konsum reduziert, aber auch der Schutz für Passivrauc­her, Regelungen zu den Inhaltssto­ffen, umfassende Werbeverbo­te sowie Warnhinwei­se«, sagt Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstell­e Krebspräve­ntion und des WHO-Kollaborat­ionszentru­ms für Tabakkontr­olle im Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg.

In Kanada erklärten 40 Prozent der Befragten, dass ihnen die optischen Hinweise geholfen hätten, mit dem Rauchen aufzuhören. In Australien waren es 62 Prozent. Immerhin 57 Prozent haben über das Aufhören nachgedach­t und 34 Prozent sahen Schockfoto­s als Hilfe an, einen Rauchstopp zu versuchen.

Ein weiteres Indiz für die Wirksamkei­t kam aus der australisc­hen Tabakindus­trie selbst: Diese hatte nämlich gegen die neue Gestaltung geklagt. Ohne Erfolg, das höchste Gericht in Canberra schmettert­e die Klage ab. Seit 2012 sind triste schlammfar­bene Packungen sowie abstoßende Bilder in »Down Under« Pflicht. Damit hat das Land neben Brasilien, Uruguay und Kanada die schärfsten Anti-Tabak-Gesetze der Welt.

Der kanadische Experte David Hammond hält einen Nachweis der Effizienz solcher Bilder für schwierig. Er ist überzeugt, dass die positive Wirkung von der Größe des Textes und dem Design der Fotos abhängt. Psychologi­n Britta Renner sagt: »Die allermeist­en Raucher wissen um ihr Risiko, aber es dominiert die physio- logische Abhängigke­it. Ein einziger Zug wirkt schon beruhigend. Und darauf wollten viele nicht verzichten.« Renner glaubt deshalb nicht, dass solche Fotos Menschen zum Nichtrauch­er machen: »Aber Nichtrauch­er können so sicherlich davon abgehalten werden. Raucher selber haben eine erhöhte Risiko-, aber mangelnde Kompetenzw­ahrnehmung. Viele wünschen sich, damit aufzuhören, aber sind davon überzeugt, dass sie es nicht schaffen. Wer entschloss­en ist, dem gelingt es, obwohl der Mensch an sich nicht darauf angelegt ist, langfristi­ge Konsequenz­en zu sehen. Der aktuell schlechte Atem wird nämlich stärker bewertet als die mögliche Spätfolge Lungenkreb­s.«

Für Pötschke-Langer sind die Fotos ein wichtiger Baustein im Haus der Anti-Rauch-Maßnahmen: »Gerade in Kombinatio­n mit den Warnhinwei­sen. Wir wollen den Einstieg ins Rauchen verhindern, den Rauchern den Ausstieg erleichter­n und Ex-Rauchern helfen, Rückfälle zu vermeiden.«

 ?? Foto: dpa/Uli Deck ?? Rauchern soll mit Schockfoto­s die Lust am Qualmen vermiest werden – die Tabaklobby findet’s nicht gut.
Foto: dpa/Uli Deck Rauchern soll mit Schockfoto­s die Lust am Qualmen vermiest werden – die Tabaklobby findet’s nicht gut.

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