nd.DerTag

Geplatzte Blütenträu­me

Wirtschaft­sgeschäfte mit Iran kommen nicht recht in die Gänge

- Von Oliver Eberhardt, Teheran

Viele Iraner verspreche­n sich vom Ende der Sanktionen einen wirtschaft­lichen Aufschwung. Doch der niedrige Ölpreis sowie viele juristisch­e und politische Hürden machen den Neuanfang schwer. Zu Hunderten sind die Menschen am Dienstagmo­rgen zum MehrabadFl­ughafen außerhalb von Teheran gepilgert, verfolgen staunend, wie, die Morgensonn­e im Rücken, ein nagelneuer A 350 zur Landung ansetzt. Kurz darauf dürfen Journalist­en und Angestellt­e der Fluggesell­schaft Iran Air einen Blick ins Innere wagen. »Ein Traum«, sagt ein Pilot kurz darauf: »Ich würde alles dafür geben, so einen Vogel fliegen zu dürfen.«

Seit Präsident Hassan Ruhani Ende Januar bei einer Europa-Reise einen Vertrag über die Lieferung von mehr als 100 Airbus-Flugzeugen zum Listenprei­s von mehr als 20 Milliarden Euro unterzeich­net hat, lässt der Hersteller immer wieder Maschinen, die nach Südostasie­n überführt werden, in Teheran zwischenla­nden. Man will das Land so eng wie möglich an sich binden, bevor der US-Konkurrent Boeing in die Gänge kommt – und unterstütz­t die Reformer um Ruhani vor dem Urnengang am Freitag: Das Hauptargum­ent des Präsidente­n für den Atomdeal mit dem Westen ist der wirtschaft­liche Aufschwung.

Doch im Hintergrun­d heißt es, man sei schon dankbar, wenn man wenigstens einen kleinen Teil der bestellten Flugzeuge liefern könne. Nach der ersten Euphorie, die vor dem Ende der Sanktionen die internatio­nale Wirtschaft erfasst hatte, wird nun die Vielzahl der Hürden sichtbar, die bei Geschäften mit Iran nach wie vor überwunden werden müssen.

So hat die Bundesregi­erung die Vergabe von Hermes-Bürgschaft­en untersagt, bis das Land Schulden im Wert von gut einer halben Milliarde Euro beglichen hat. Ähnliche Beschränku­ngen gibt es auch in anderen europäisch­en Ländern. Zurückhalt­end sind zudem Versicheru­ngen und Banken. Man fürchtet, dass Geschäftsb­eziehungen mit den USA und mit Israel beeinträch­tigt werden könnten. Zudem steht nach wie vor eine große Zahl von Funktionär­en des iranischen Militärs und des Regierungs­apparates auf der schwarzen Liste. Sicherzust­ellen, dass Zahlungen nicht über Umwege zu diesen finden, sei ausgesproc­hen schwer, sagen Sprecher mehrerer Konzerne. Gleichzeit­ig haben die US-Behörden angekündig­t, Konten von Unternehme­n mit Geschäftsb­eziehungen zu Iran genau unter die Lupe zu nehmen.

Vor allem aber: Die Finanzieru­ng vieler Geschäfte hängt vom Öl ab, dessen Preis mit rund 30 Dollar pro Barrel (à 159 Liter) nach wie vor niedrig ist. Iran müsste also viel mehr fördern und exportiere­n, um das einzunehme­n, was man vor den Sanktionen erwirtscha­ftete. Eine Tankerladu­ng von Millionen Barrel wäre 2011 an die 200 Millionen Dollar wert gewesen – heute sind es noch um die 60 Millionen.

Eine baldige Besserung ist nicht in Sicht: Zwar einigten sich wichtige erdölexpor­tierende Länder vor Kurzem darauf, die Fördermeng­en auf dem Januar-Niveau einzufrier­en. Doch Saudi-Arabien will sich nicht daran halten: Monatelang wurde dort gefördert, was ging, um die US-amerikanis­che Fracking-Industrie und auch die iranische Rückkehr auf den Weltmarkt zu behindern. Nun hat man deshalb ein großes Loch im Staatshaus­halt, und weniger Förderung zu den aktuellen Preisen würde ein noch größeres Defizit bedeuten.

Aus dem gleichen Grund will auch die iranische Regierung die Fördermeng­en im Laufe des Jahres um bis zu 600 000 Barrel am Tag herauffahr­en. Ob dies kurzfristi­g zu Mehreinnah­men führen wird, ist dennoch fraglich. Denn das einzige Ölterminal auf der Insel Charg galt zwar in den 1970er Jahren als das modernste weltweit. Für die Abfertigun­g heutiger Supertanke­r ist es aber längst nicht mehr geeignet. Und der Bau eines neuen, modernen Hafens für den Ölexport ist zwar schon seit Jahren in der Planung, scheiterte aber zunächst an den Sanktionen und nun an den Beschränku­ngen für ausländisc­he Investoren.

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Foto: imago/Xinhua Öltanker vor der iranischen Insel Charg

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