Aus für die Blockbuster
Auch nach dem Patentablauf für einige Arzneien gegen Bluthochdruck bleibt das Geschäft mit Sartanen, Betablockern und Diuretika einträglich
Deutsche Patienten nehmen dreimal häufiger Blutdrucksenker als ihre österreichischen Nachbarn. Das freut die Hersteller der entsprechenden Arzneien auf einem vielfältigen Markt. Der Medikamentenverbrauch der Deutschen liegt im Vergleich der Industrieländer an der Spitze. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) ermittelte für 2013 Pro-KopfAusgaben von etwa 620 Euro. Dabei steigt die Tendenz weiter: 2014 gaben die Krankenkassen noch einmal 10 Prozent mehr aus als im Jahr davor, und zwar 35 Milliarden Euro.
Nach den OECD-Angaben treiben neben Medikamenten gegen Diabetes auch die gegen Bluthochdruck die Kosten in die Höhe, einmal abgesehen von wegfallenden Preisrabatten und besonders teuren neuen Mitteln. Die Deutschen nehmen dreimal häufiger Blutdrucksenker als die Österreicher. In unserem Nachbarland wird Hypertonie allerdings auch nur bei einem Viertel der Menschen diagnostiziert. In der Bundesrepublik gelten hingegen bis zur Hälfte aller Erwachsen als betroffen.
Zur Senkung des Blutdruckes ste- hen verschiedene Medikamentengruppen zur Verfügung. Sie werden je nach Verträglichkeit und Begleiterkrankungen verschrieben, häufig auch in Kombinationen. ACE-Hemmer greifen in den Hormonhaushalt ein – sie bewirken, dass aus Angiotensin I weniger Angiotensin II hergestellt wird, welches die Blutgefäße stark verengt. Eine Weiterentwicklung dieser Mittel stellen die Sartane dar – sie blockieren die Rezeptoren für das Hormon Angiotensin. Diese Stoffwechselkaskade der Nierenhormone wurde in den 50er Jahren entdeckt, die ACE-Hemmer kamen in der Folge erstmals 1981 auf den Markt, Sartane ab Mitte der 90er Jahre.
Kalzium-Antagonisten heben die Wirkung von Kalzium auf, das ebenfalls die Gefäße verengt. Diuretika bringen die Nieren dazu, mehr Natrium und Wasser auszuscheiden, sie greifen in den Flüssigkeitshaushalt ein. Auch so sinkt der Blutdruck im Gefäßsystem.
Unter den 2014 in Deutschland am meisten verordneten Medikamenten fand sich das Diuretikum Torasemid der Firma Aliud Pharma auf Platz 12 – mit 4,7 Millionen Verordnungen und einer Steigerung von über zehn Prozent zum Vorjahr. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil es weitere Torasemid-Anbieter gibt. Das Mittel ist, wie auch viele andere Diuretika, als Generikum verfügbar, das darüber hinaus auch preiswerter wäre.
Betablocker senken die Frequenz und die Schlagkraft des Herzens, es wird weniger Blut umgewälzt. Außerdem setzen die Nieren weniger Renin frei, ein weiteres Hormon, das die Blutgefäße verengt. Drei Betablocker verschiedener Unternehmen standen 2014 auf den Plätzen 9, 10 und 18 der meistverordneten Medikamente. Sie wurden insgesamt 13,6 Millionen mal verordnet, eines der Mittel erreichte ein Plus von 86 Prozent zum Vorjahr. Außerdem gibt es weitere Medikamente der zweiten Wahl, die nur in bestimmten Fällen eingesetzt werden und in der Regel schlechter verträglich sind, darunter Alpha-1-Blocker.
Dennoch gibt es in der Erfolgsgeschichte der Blutdrucksenker – zu- mindest aus Sicht der Hersteller – einen deutlichen Einbruch. Er hängt mit dem Auslauf vieler Patente zusammen. So verlor Novartis im September 2012 in Europa den Patentschutz für Diovan (Wirkstoff: Valsartan). Mit den Produkten der Diovan-Gruppe verfügte das Unternehmen über das meistverkaufte Markenmedikament zur Blutdrucksenkung weltweit, einen sogenannten Blockbuster. Zeitweise lag der Umsatz pro Jahr bei sechs Milliarden Dollar. Neben der Blutdrucksenkung wurde es auch für die Behandlung der Herzinsuffizienz und von Herzinfarkten zugelassen.
Inzwischen weisen von insgesamt 100 Blutdrucksenkern 93 keinen Patentschutz mehr auf, so das IGES-Institut für Gesundheitsfragen Berlin. Nach Einschätzung des Arzneimittelforschers Gerd Glaeske von der Universität Bremen haben sich viele Hersteller von diesem Teilmarkt zurückgezogen. Die Generika kosten nunmehr zwischen 10 bis 20 Cent am Tag, während mit den Mitteln unter Patentschutz einige Euro pro Tag erlöst werden konnten. Auch weil die wenigen Neuentwicklungen kaum einen Zusatznutzen haben, sanken die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Blutdrucksenker von 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2015.