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Kein Massenlage­r in Messehalle­n

Land Brandenbur­g lehnt Unterbring­ung von 5000 Berliner Flüchtling­en in Selchow ab

- Von Andreas Fritsche und Martin Kröger

Die Pläne des Senats, wie in Tempelhof auch in den Messehalle­n in Selchow eine große Flüchtling­sunterkunf­t zu errichten, stoßen nicht nur in Brandenbur­g auf Widerstand. Eine Straßenkeh­rmaschine fährt einsam über das riesige Freigeländ­e des Expocenter­s Airport in Selchow. Der Wachmann am Eingang hält die Augen offen. Mehr scheint er gegenwärti­g nicht zu tun zu haben, denn im Moment gibt es in den drei blechbüchs­enartigen Messehalle­n keine Ausstellun­g. Erst vom 17. bis 20. März findet hier für Fachbesuch­er die Fahrzeugsc­hau »Transporte­rtage« statt, gleichzeit­ig mit der Messe »Auto, Camping, Carawan«. Vom 1. bis 4. Juni kommt dann wieder die große Internatio­nale Luftfahrta­usstellung ILA. Weitere Termin sind noch nicht bekannt.

Die Idee, die monatelang leerstehen­den Hallen für die Unterbring­ung von bis zu 5000 Flüchtling­en zu verwenden, mag auf den ersten Blick gar nicht so abwegig erscheinen. Immerhin kommen Flüchtling­e mit Zügen am Bahnhof Schönefeld an und werden von dort mit Bussen nach Berlin oder Potsdam gebracht.

Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) wünscht die Zweckentfr­emdung der Messehalle­n, die zwischen 6394 und 7267 Quadratmet­er groß sind. Doch das Land Brandenbur­g hat ein Wörtchen mitzureden, denn die Expocenter Airport GmbH gehört je zur Hälfte der Messe Berlin und der Zukunftsag­entur Brandenbur­g.

»Ich bin nicht bereit, Dinge zu machen, die ich für Unfug halte«, sagte Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD). Für seinen Koalitions­partner, die LINKE, erklärt die Landtagsab­geordnete Andrea Johlige: »Wir lehnen es ab, Menschen in so riesigen Unterkünft­en unterzubri­ngen.« Auch stelle sich die Frage, wessen Polizei zuständig wäre, wenn Asylbewerb­er, die dem Land Berlin zugeteilt sind, auf märkischem Territoriu­m ange- siedelt werden. »Es ist ja gar nichts geklärt«, bedauert Johlige. »Da ist es schwierig zu sagen: ›Ja, das machen wir‹.«

Immerhin wird verhandelt. Ein erstes Treffen zwischen Senatskanz­leichef Björn Böhning und Staats- kanzleiche­f Rudolf Zeeb hat stattgefun­den. Ein zweites Gespräch im größeren Kreis wird vorbereite­t. Dabei geht es aber nicht nur um Selchow, sondern um verschiede­ne Möglichkei­ten, wie die Hauptstadt einen Teil ihrer Flüchtling­e im Umland unterbring­en könnte. Grundsätzl­ich zeigt sich das Land Brandenbur­g da nun durchaus bereit, dem Nachbarn zu helfen. Früher hatte es geheißen, man habe selbst genug Sorgen, Flüchtling­e menschenwü­rdig unterzubri­ngen.

Für Irritation­en sorgte die brandenbur­gischen LINKE, als sie sich im Januar darüber mokierte, dass Berlin den Flughafena­nwohnern nicht eine Minute mehr Nachtflugv­erbot gönne, aber wegen der Flüchtling­e angerannt komme. Das wurde als Erpressung­sversuch gedeutet. Die LINKE fühlte sich falsch verstanden.

»Wir sind nach wie vor interessie­rt als Senat mit dem Land Brandenbur­g weiterzuko­mmen«, betont Finanzsena­tor Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Auch wenn es nicht in den nächsten Tagen und Wochen Ergebnisse­n gebe, mache es Sinn, über Kooperatio­nen zu sprechen. Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) erklärte, der Senat verfolge die Idee der Flüchtling­sunterbrin­gung in Brandenbur­g weiter. Dabei seien aber auch andere Lö- sungen als die Selchower Hallen denkbar, etwa wenn es sich um Berliner Immobilien auf Brandenbur­ger Grund handele, so Czaja.

Dass der Senat immer noch auf Massenquar­tiere in Brandenbur­g spekuliert, stößt auch in der Opposition auf Ablehnung. »Ich bin gerne bereit, über kleine, dezentrale Unterkünft­e und Wohnungen zu verhandeln«, sagt Berlins Linksfrakt­ionschef Udo Wolf. Eine Großunterk­unft in Selchow bringe aber die gleichen Probleme wie in den Hangars am alten Flughafen Berlin-Tempelhof. »Das lehnen wir ab.«

Die Messehalle­n in Selchow sind in den Jahren 2011 und 2012 extra deswegen gebaut worden, damit die alle zwei Jahre ausgericht­ete Luftfahrts­chau ILA weiterhin in der Nähe des Flughafens Schönefeld stattfinde­n kann. Wegen des Ausbaus zum Großflugha­fen BER hatte der alte Messestand­ort schon für die ILA 2012 nicht mehr zur Verfügung gestanden.

»Es ist ja gar nichts geklärt. Da ist es schwierig zu sagen: ›Ja, das machen wir‹.«

Andrea Johlige, LINKE

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Foto: dpa/Bernd Settnik Objekt der Begierde: Die Messehalle­n in Selchow sollen als Flüchtling­sunterkünf­te dienen.

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