Kein Massenlager in Messehallen
Land Brandenburg lehnt Unterbringung von 5000 Berliner Flüchtlingen in Selchow ab
Die Pläne des Senats, wie in Tempelhof auch in den Messehallen in Selchow eine große Flüchtlingsunterkunft zu errichten, stoßen nicht nur in Brandenburg auf Widerstand. Eine Straßenkehrmaschine fährt einsam über das riesige Freigelände des Expocenters Airport in Selchow. Der Wachmann am Eingang hält die Augen offen. Mehr scheint er gegenwärtig nicht zu tun zu haben, denn im Moment gibt es in den drei blechbüchsenartigen Messehallen keine Ausstellung. Erst vom 17. bis 20. März findet hier für Fachbesucher die Fahrzeugschau »Transportertage« statt, gleichzeitig mit der Messe »Auto, Camping, Carawan«. Vom 1. bis 4. Juni kommt dann wieder die große Internationale Luftfahrtausstellung ILA. Weitere Termin sind noch nicht bekannt.
Die Idee, die monatelang leerstehenden Hallen für die Unterbringung von bis zu 5000 Flüchtlingen zu verwenden, mag auf den ersten Blick gar nicht so abwegig erscheinen. Immerhin kommen Flüchtlinge mit Zügen am Bahnhof Schönefeld an und werden von dort mit Bussen nach Berlin oder Potsdam gebracht.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wünscht die Zweckentfremdung der Messehallen, die zwischen 6394 und 7267 Quadratmeter groß sind. Doch das Land Brandenburg hat ein Wörtchen mitzureden, denn die Expocenter Airport GmbH gehört je zur Hälfte der Messe Berlin und der Zukunftsagentur Brandenburg.
»Ich bin nicht bereit, Dinge zu machen, die ich für Unfug halte«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Für seinen Koalitionspartner, die LINKE, erklärt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige: »Wir lehnen es ab, Menschen in so riesigen Unterkünften unterzubringen.« Auch stelle sich die Frage, wessen Polizei zuständig wäre, wenn Asylbewerber, die dem Land Berlin zugeteilt sind, auf märkischem Territorium ange- siedelt werden. »Es ist ja gar nichts geklärt«, bedauert Johlige. »Da ist es schwierig zu sagen: ›Ja, das machen wir‹.«
Immerhin wird verhandelt. Ein erstes Treffen zwischen Senatskanzleichef Björn Böhning und Staats- kanzleichef Rudolf Zeeb hat stattgefunden. Ein zweites Gespräch im größeren Kreis wird vorbereitet. Dabei geht es aber nicht nur um Selchow, sondern um verschiedene Möglichkeiten, wie die Hauptstadt einen Teil ihrer Flüchtlinge im Umland unterbringen könnte. Grundsätzlich zeigt sich das Land Brandenburg da nun durchaus bereit, dem Nachbarn zu helfen. Früher hatte es geheißen, man habe selbst genug Sorgen, Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.
Für Irritationen sorgte die brandenburgischen LINKE, als sie sich im Januar darüber mokierte, dass Berlin den Flughafenanwohnern nicht eine Minute mehr Nachtflugverbot gönne, aber wegen der Flüchtlinge angerannt komme. Das wurde als Erpressungsversuch gedeutet. Die LINKE fühlte sich falsch verstanden.
»Wir sind nach wie vor interessiert als Senat mit dem Land Brandenburg weiterzukommen«, betont Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). Auch wenn es nicht in den nächsten Tagen und Wochen Ergebnissen gebe, mache es Sinn, über Kooperationen zu sprechen. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) erklärte, der Senat verfolge die Idee der Flüchtlingsunterbringung in Brandenburg weiter. Dabei seien aber auch andere Lö- sungen als die Selchower Hallen denkbar, etwa wenn es sich um Berliner Immobilien auf Brandenburger Grund handele, so Czaja.
Dass der Senat immer noch auf Massenquartiere in Brandenburg spekuliert, stößt auch in der Opposition auf Ablehnung. »Ich bin gerne bereit, über kleine, dezentrale Unterkünfte und Wohnungen zu verhandeln«, sagt Berlins Linksfraktionschef Udo Wolf. Eine Großunterkunft in Selchow bringe aber die gleichen Probleme wie in den Hangars am alten Flughafen Berlin-Tempelhof. »Das lehnen wir ab.«
Die Messehallen in Selchow sind in den Jahren 2011 und 2012 extra deswegen gebaut worden, damit die alle zwei Jahre ausgerichtete Luftfahrtschau ILA weiterhin in der Nähe des Flughafens Schönefeld stattfinden kann. Wegen des Ausbaus zum Großflughafen BER hatte der alte Messestandort schon für die ILA 2012 nicht mehr zur Verfügung gestanden.
»Es ist ja gar nichts geklärt. Da ist es schwierig zu sagen: ›Ja, das machen wir‹.«
Andrea Johlige, LINKE