nd.DerTag

Dackelbesi­tzer aus Darmstadt

- Stephan Fischer über wirkliches Guerilla-Marketing

»365/24« – alle noch wach? Wirklich so bieder und lahm ist der neue Marketings­pruch ohne Worte, mit dem Berlin noch mehr Touristen (ja, noch mehr!) in die Stadt locken will – so ein bisschen guerillamä­ßig soll er daherkomme­n. Einen altbackene­n Slogan, für den sich jeder Spätiverkä­ufer schämen würde, auch noch wortreich auf einer Pressekonf­erenz zu präsentier­en, das sei nun wirklich das Gegenteil von Guerillama­rketing – Obacht!: Zunächst führt der Slogan geschickt in die Irre. Berlin ist alles – nur nicht immer offen: Museen haben am Montag zu, die Spätis am Sonntag, der 17. Juni im Sommer und die S-Bahn-Türen im Winter.

Und vor allem ist die Bräsigkeit gewollt – es sollen mehr, aber andere Touris werden: Bei »arm, aber sexy« haben die meisten Menschen sowieso nur auf den zweiten Teil gehört. Und »be Berlin«? Kam doch nur als »Mach doch, was du willst« rüber, interessie­rt eh keine Sau, bis hin zur BVG ist doch eh alles allen egal.

Was nie egal ist? Das Geld, was die Leute in der Stadt lassen. Und da sieht es bei den jungen Menschen eben nicht so rosig aus – solange Drogen noch nicht besteuert werden, bleibt von den Partytouri­sten nicht viel in den Stadtkasse­n hängen. Im Gegenteil – was das kostet, wenn da Woche für Woche jemand im Rausch von der Warschauer Brücke stürzt. Berlin will andere Besucher. Mit Geld. Ältere Menschen – gerne auch mit Hund!

Auf einer offizielle­n Internetse­ite werden denen »Insidertip­ps« präsentier­t: »Auch wenn es in Berlin kaum Tütenautom­aten gibt – flotte Hundebesit­zer müssen nur selten fürchten, von einem Beamten des Ordnungsam­tes erwischt zu werden. Und die Einwohner der Stadt haben das Umgehen von »Tretminen« längst verinnerli­cht.« Guerilla pur! Die Berliner? Minenerpro­bt. Ordnungsam­t? Staatsmach­t – hahaha! Und für die Dackelbesi­tzer aus Darmstadt gibt es noch den Ruch des Illegalen obendrauf, wenn Mauer- und Nazi-Geschichte nicht für genug Schauer sorgten.

Ausgehend vom Design der Website steht das dort seit ungefähr 13 Jahren. Unbemerkt – mehr Guerilla-Marketing geht nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany