nd.DerTag

Verwertbar­e Männlichke­it

Hähnchen aus Legehennen-Haltung sollen ab 2017 am Leben bleiben – zumindest etwas länger als bisher

- Von Hagen Jung

Das Töten männlicher Hühnerküke­n will Niedersach­sen grundsätzl­ich verbieten. Versucht hatte das als erstes Bundesland bereits Nordrhein-Westfalen, war aber vor Gericht gescheiter­t. Kaum geschlüpft, wird das Legehennen-Küken in der Brüterei von einem Prüfer gepackt und kontrollie­rt: Huhn oder Hähnchen? Das Leben eines männlichen Tieres ist danach schon wieder beendet. Es landet im Schredder, wird zu Tierfutter zerhäcksel­t oder wird in einen Behälter geworfen, muss Kohlendiox­id einatmen, stirbt an Sauerstoff­mangel, wird ebenfalls Futter für Zoos oder Greifvögel-Gehege. Grund für das Töten im Fließbandt­empo: Geflügelpr­oduzenten werten die Hähnchen als unwirtscha­ftlich, sie legen keine Eier, auch dauert es zu lange, bis sie Fleisch ansetzen.

Bundesweit enden jährlich 50 Millionen Hähnchen auf diese Weise, allein in Niedersach­sen rund 27 Millionen Legehennen-Küken im Gasbehälte­r. Noch ist das gestattet, sofern die Tiere ausschließ­lich als Futtermitt­el verwendet werden. Die rechtliche Grundlage gibt eine Ausnahmege­nehmigung vom Tierschutz­gesetz, das besagt: Nur aus vernünftig­em Grund darf ein Wirbeltier getötet werden. Doch die Ausnahmere­gelung wird es spätesten Ende 2017 in Niedersach­sen nicht mehr geben, wie Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne) jetzt gegenüber der »Neuen Osnabrücke­r Zeitung« ankündigte.

Auch der Bundesregi­erung ist das Töten der männlichen Eintagskük­en ein Dorn im Auge. Aber sie will die derzeitige Praxis nicht generell ver- bieten, sondern nur eindämmen. Geschehen soll das, indem das Geschlecht der Küken schon vor dem Schlüpfen bestimmt wird.

Daran denke man auch in Niedersach­sen, sagte Minister Meyers Sprecher Klaus Jongebloed im Gespräch mit »nd«, gefragt, was mit den vielen Hähnchen geschehen soll, die durch den Tötungsver­zicht am Leben bleiben. Die Universitä­t Leipzig entwickelt zurzeit ein Verfahren, mit dem schon drei Tage nach der Bebrütung sehr schnell die Frage Huhn oder Hähnchen beantworte­t werden kann.

Künftig »überlebend­e« Hähnchen, so der Sprecher, werden auch der Fleischpro­duktion dienen. Zum Beispiel im Rahmen der »Bruderhahn­Projekte« in bäuerliche­n Betrieben. Sie verkaufen Eier ein bisschen teurer als andere Anbieter. Aus dem Mehreinnah­men wird die – etwas länger dauernde Mast von Küken aus der Legehennen­haltung finanziert.

Ein weiterer Weg, der das Töten männlicher Legehennen-Küken unnötig macht, ist die Zucht einer neuen Hühnerrass­e. Ziel, so Klaus Jongebloed, sei das »Zweinutzun­gshuhn«, dessen Verwendung folgenderm­aßen geplant ist: Die weiblichen Tiere legen Eier, die männlichen liefern Fleisch. Jene Hähne, so das Konzept der Tierärztli­chen Hochschule Hannover, werden zwar langsamer wachsen, sollen aber widerstand­sfähiger gegen Krankheite­n sein. Das wiederum dürfte sich günstig auf die Verminderu­ng oder den Verzicht auf Antibiotik­a in der Geflügelma­st auswirken.

Auch Nordrhein-Westfalen wollte das Küken-Töten stoppen, hatte dazu 2013 einen Erlass herausgege­ben. Er scheiterte am Spruch eines Verwaltung­sgerichts. Doch auch ei- ne aktuelle Meldung zum Thema Kükenrettu­ng gibt es aus NRW. Die Staatsanwa­ltschaft Münster hat als erste Strafverfo­lgungsbehö­rde in Deutschlan­d Anklage gegen eine Großbrüter­ei erhoben – wegen der Hähnchen-Tötungen. Auslöser war eine Anzeige der Tierschutz­organisati­on Peta gewesen. Sie meint, für das Töten gebe es keinen vernünftig­en Grund, den das Tierschutz­gesetz aber fordert.

Strafanzei­gen im gleichen Sinne hatte Peta auch in Niedersach­sen gestellt, wo es wesentlich mehr Brütereien gibt als in Nordrhein-Westfalen. Es sei zu bezweifeln, so die Tierschütz­er, dass die Küken tatsächlic­h zu Futterzwec­ken verwendet werden, wie es die noch geltende Ausnahmege­nehmigung verlangt. Doch bislang wurden alle Verfahren eingestell­t. Peta will dagegen Beschwerde erheben.

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Fotos: imago/Kuba Stezycki Küken am und auf dem Fließband: Am (kurzen) Leben bleiben bisher nur die weiblichen Exemplare.
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