Geliebte Latzhose
Er
hielt einst das Mikrofon, das John F. Kennedys berühmte Rede vor dem Rathaus Schöneberg aufzeichnete, da war er noch Toningenieur beim amerikanischen Radiosender AFN. Später war er der Grund, warum Kinder die Vorgärten ihrer Wohnhäuser in Stauseen verwandelten, Gläser voller Schnecken und selbst gefangener Schmetterlinge beim Abendbrot auf den Tisch stellten oder ihre Eltern über ihre völlig gedankenlose Müllproduktion aufklärten. Peter Lustig hat 25 Jahre lang Kinderfernsehen gemacht, das inspirierte, verführte und nachdenklich machte. Das alles ohne Erklärbäronkelstimme, sondern wie einer, der sich selbst und anderen die Welt erschließen will.
Ins Fernsehen kam er, wie nur einer wie er ins Fernsehen kommen kann. Bei einem Dreh mit der Band »Ton Steine Scherben« forderte ihn der Regisseur auf, vor der Kamera mal was Komisches zu machen. Also zerschlug sich Lustig ein Ei auf dem Kopf und sagte »Fernsehen ist scheiße«, der Rest ist Geschichte. Ein Vierteljahrhundert prägte der 1937 in Breslau geborene Lustig eine Fernsehgeneration, die heute zwischen Mitte vierzig und sechszehn sein dürfte. Erst 2005 zog er aus seinem blauen Pippi-Langstrumpf-Gedächtnis-Bauwagen in der ausgedachten Stadt Bärstadt aus. Da hatte er bereits 200 Folgen von »Löwenzahn« abgedreht. Diese Serie, in der er, stets mit blauer Jeanslatzhose bekleidet so fabelhaft weltentrückt und doch mittendrin erläuterte, was Thermodynamik ist und wie in der Landwirtschaft aus Kuhscheiße Geld gemacht wird.
Bereits 1984 erkrankte Lustig an Lungenkrebs. Am Ende vieler Operationen blieb nur noch ein Lungenflügel übrig, was ihn nicht davon abhielt, fortwährend Schnupftabak durch seine Nasenflügel zu jagen. Die Krankheit zwang ihn 2005 dazu, sich zurückzuziehen. Am Dienstag ist Lustig im Kreise seiner Familie im Alter von 78 Jahren gestorben.