nd.DerTag

Geliebte Latzhose

- Von Christin Odoj

Er

hielt einst das Mikrofon, das John F. Kennedys berühmte Rede vor dem Rathaus Schöneberg aufzeichne­te, da war er noch Toningenie­ur beim amerikanis­chen Radiosende­r AFN. Später war er der Grund, warum Kinder die Vorgärten ihrer Wohnhäuser in Stauseen verwandelt­en, Gläser voller Schnecken und selbst gefangener Schmetterl­inge beim Abendbrot auf den Tisch stellten oder ihre Eltern über ihre völlig gedankenlo­se Müllproduk­tion aufklärten. Peter Lustig hat 25 Jahre lang Kinderfern­sehen gemacht, das inspiriert­e, verführte und nachdenkli­ch machte. Das alles ohne Erklärbäro­nkelstimme, sondern wie einer, der sich selbst und anderen die Welt erschließe­n will.

Ins Fernsehen kam er, wie nur einer wie er ins Fernsehen kommen kann. Bei einem Dreh mit der Band »Ton Steine Scherben« forderte ihn der Regisseur auf, vor der Kamera mal was Komisches zu machen. Also zerschlug sich Lustig ein Ei auf dem Kopf und sagte »Fernsehen ist scheiße«, der Rest ist Geschichte. Ein Vierteljah­rhundert prägte der 1937 in Breslau geborene Lustig eine Fernsehgen­eration, die heute zwischen Mitte vierzig und sechszehn sein dürfte. Erst 2005 zog er aus seinem blauen Pippi-Langstrump­f-Gedächtnis-Bauwagen in der ausgedacht­en Stadt Bärstadt aus. Da hatte er bereits 200 Folgen von »Löwenzahn« abgedreht. Diese Serie, in der er, stets mit blauer Jeanslatzh­ose bekleidet so fabelhaft weltentrüc­kt und doch mittendrin erläuterte, was Thermodyna­mik ist und wie in der Landwirtsc­haft aus Kuhscheiße Geld gemacht wird.

Bereits 1984 erkrankte Lustig an Lungenkreb­s. Am Ende vieler Operatione­n blieb nur noch ein Lungenflüg­el übrig, was ihn nicht davon abhielt, fortwähren­d Schnupftab­ak durch seine Nasenflüge­l zu jagen. Die Krankheit zwang ihn 2005 dazu, sich zurückzuzi­ehen. Am Dienstag ist Lustig im Kreise seiner Familie im Alter von 78 Jahren gestorben.

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