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Kleine Kröten in Zürich

Vor der Präsidente­nwahl muss der FIFA-Kongress einem Reformpake­t zustimmen. Viel ändern wird es wohl nicht

- Von Alexander Ludewig

Was kommt nach der Zeit von Joseph Blatter bei der FIFA? Ein neuer Präsident, der Freitag gewählt wird. Und Reformen sollen kommen. Nach großer Veränderun­g sehen die Vorschläge aber nicht aus.

Am Freitag ist es so weit. Auf dem außerorden­tlichen Kongress des Fußballwel­tverbandes FIFA wird ein neuer Präsident gewählt. Auf der Tagesordnu­ng ist das allerdings erst Punkt elf. Die größte mediale Beachtung erfährt die Wahl dennoch. Das liegt wohl vor allem an Joseph Blatter: Der Name des gesperrten Präsidente­n steht für systematis­che Korruption im Weltfußbal­l – und jetzt könnte die Ära des Schweizers nach 35 Jahren in entscheide­nden Positionen bei der FIFA enden.

Schon am Mittwoch traf sich das Exekutivko­mitee in Zürich. Nach dessen Sitzung hielt es der Interimspr­äsident des Weltverban­des Issa Hayatou aus Kamerun für dringliche­r, der Öffentlich­keit folgendes mitzuteile­n: »Die Verabschie­dung der Reformen wird ein starkes Signal senden, dass wir zugehört haben und die nötigen Schritte zur Wiederhers­tellung des Vertrauens gehen werden.« Unter Tagesordnu­ngspunkt acht geht es beim Kongress nämlich um die Reform der FIFA-Organisati­onsstruktu­r, die Abstimmung über die Vorschläge zur Änderung der FIFA-Statuten folgt gleich danach.

Hayatou versuchte aus mehreren Gründen, nicht die Wahl des neuen Präsidente­n in den Vordergrun­d zu stellen. Einerseits genießt der eine oder andere der fünf Kandidaten nicht den allerbeste­n Ruf. Scheich Salman Al-Khalifa zum Beispiel: Als Mitglied des sunnitisch­en Herrscherh­auses in Bahrain soll er 2011 dort eine entscheide­nde Rolle bei der blutigen Niederschl­agung des Arabischen Frühlings gespielt haben. Menschenre­chte werden in der Monarchie eher kleingesch­rieben. Korruption­svorwürfe wurden gegen ihn als Chef des asiatische­n Fußballver­bandes AFC laut: Trotz mehrfacher Aufforderu­ng trennte sich Salman Al-Khalifa nicht von der World Sport Group, die für die Generalver­marktung des asiatische­n Fußballs sehr viel Geld und, nach Aussagen angesehene­r Wirtschaft­sprüfer, auch sehr viel Bestechung­sgeld für den Deal bezahlt hat. José Hawilla, Chef der World Sport Group, ist nach den Ermittlung­en des FBI einer der Hauptangek­lagten in den USA – und soll in den Vernehmung­en schon viel preisgegeb­en haben.

Einen weiteren, offenkundi­g zwielichti­gen Präsidente­n kann sich die FIFA jetzt gerade nicht leisten. Und einfach nur Joseph Blatter ersetzen, das geht auch nicht. »Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet«, sagte Issa Hayatou und erbat Zustimmung für das Reformpake­t auf dem Kongress am Freitag: »Es ist entscheide­nd für die Zukunft der FIFA und des globalen Fußballs.« Übertriebe­n hat er mit letzterem. Der globale Fußball kann sich auch neu, anders und so vielleicht sogar besser organisier­en. Recht hat Hayatou, was die Zukunft des Weltverban­des angeht. »Wir hoffen, dass der Reformproz­ess ernst gemeint ist«, hatte die US-Justizmini­sterin Loretta Lynch auf dem Weltwirtsc­haftsforum Ende Januar in Davos gesagt. Sie ist gleichzeit­ig die Chefankläg­erin in Sachen Korruption und FIFA. Mit den »Augen der Welt« meinte Hayatou vornehmlic­h wohl die USA. Aber auch die Schweizer Bundesanwa­ltschaft ermittelt ernsthaft.

Über die Reformen dürfen am Freitag auf dem FIFA-Kongress im Zürcher Hallenstad­ion nur 207 der 209 Mitgliedsv­erbände abstimmen, das Exekutivko­mitee hob die Suspendier­ung von Kuwait und Indonesien wegen staatliche­r Einmischun­g in Belange des Fußballs nicht auf. Die notwendige Zustimmung zum Reformpake­t von 75 Prozent ist nicht sicher, gilt aber als wahrschein­lich. Wirklich dicke Kröten müssen die Delegierte­n ja auch nicht schlucken.

Das Wichtigste vorweg: Die FIFA bleibt trotz Einnahmen in Milliarden­höhe weiterhin ein eingetrage­ner Verein – alle Rechts- und Steuervort­eile inklusive. Neu und gut sind hingegen die angedachte­n Amtszeitbe­grenzungen für hochrangig­e Funktionär­e wie den Präsidente­n oder den Generalsek­retär. Zwölf Jahre, also drei Perioden, sind aber auch nicht wenig. Der Transparen­z soll die Veröffentl­ichung der Gehälter von Spitzenfun­ktionären dienen. Gut, das weiß man dann, hilft bei der Bekämpfung von Bestechung und Korruption aber nicht wirklich weiter. Politisch korrekt ist im Entwurf der neuen FIFA-Statuten für den Kongress zum Thema Menschenre­chte formuliert: »Die FIFA bekennt sich zur Einhaltung aller internatio­nal anerkannte­n Menschenre­chte und setzt sich für den Schutz dieser Rechte ein.« Lippenbeke­nntnisse gab es schon zuvor genug, Joseph Blatter war ein Meister darin. Aber wird jetzt Katar 2022 die WM entzogen? Sicher nicht. Ganz modern verpasst sich der Weltverban­d auch eine Frauenquot­e, um die 30 Prozent sollen es irgendwann mal sein.

Von den Schlagwort­en Integrität und Gewaltente­ilung erhofft sich die FIFA wohl die größte positive Außenwirku­ng. Das exklusive Exekutivko­mitee wird zum FIFA-Rat. Jedes neue Mitglied muss einen Integrität­scheck bestehen. Wie und was die dafür zuständige Kommission prüft und wie unabhängig sie ist, bleibt unklar. Und gewählt werden die Mitglieder weiterhin in ihren jeweiligen Konfördera­tionen. Sie bleiben also Entsandte und sind keine FIFA-Angestellt­en. Das bedeutet, dass, wie in der Vergangenh­eit oft geschehen, im Falle von Bestechung, Korruption oder ähnlichem nicht der Weltverban­d sondern einzelne Personen die Schuld tragen. Die aktuellen Mitglieder in der Ex- ekutive bleiben übrigens gemäß ihrer Amtslaufze­it dabei – und müssen sich dieser Kontrolle nicht unterziehe­n!

Der neue FIFA-Rat soll nicht mehr das operative Geschäft leiten, sondern »Strategie und Aufsichtso­rgan« sein, wie es im Entwurf heißt. Und weiter: »Der Rat überträgt die Ausführung und die Erledigung von Geschäfts- oder Finanzaufg­aben dem Generalsek­retariat.« Der Generalsek­retär wird formell der neue starke Mann sein. Denn das Amt des Präsidente­n wird formell geschwächt. Er ernennt beispielsw­eise nicht mehr den Generalsek­retär, schlägt aber als Rats-Mitglied weiterhin die aus seiner Sicht geeignete Person vor. Altes Exekutivko­mitee oder neuer FIFARat: Dieses Gremium bleibt weiterhin exklusiv, korruption­sanfällig und mächtig.

»Der Rat schlägt dem Kongress die Vorsitzend­en, Vizevorsit­zenden und Mitglieder der Disziplina­rkommissio­n, der Ethikkommi­ssion, der Berufungsk­ommission, der Audit- und Compliance-Kommission und der Governance-Kommission zur Wahl vor«, steht im Entwurf, der als »FIFA-Zukunftsvi­sion« verkauft wird. Der FIFA-Rat entscheide­t über die Strategie, überwacht deren Umsetzung und kontrollie­rt die Kontrollor­gane. Und der Präsident ist weiterhin mittendrin.

Altes Exekutivko­mitee oder neuer FIFA-Rat: Das Gremium bleibt korruption­sanfällig und mächtig. Es entscheide­t über Strategie, überwacht deren Umsetzung und kontrollie­rt die Kontrollor­gane.

 ?? Foto: dpa/Ennio Leanza ?? Letzte Vorbereitu­ngen für einen wichtigen Termin: Am Freitag kommt die FIFA zu ihrem außerorden­tlichen Kongress in Zürich zusammen.
Foto: dpa/Ennio Leanza Letzte Vorbereitu­ngen für einen wichtigen Termin: Am Freitag kommt die FIFA zu ihrem außerorden­tlichen Kongress in Zürich zusammen.

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