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Sozialist Sánchez setzt auf die Bürger

In Spanien einigt sich die PSOE mit den Ciudadanos auf einen »Regierungs­pakt«

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Spaniens Sozialiste­n (PSOE) und die rechtslibe­ralen Ciudadanos (Bürger) haben einen Regierungs­pakt geschlosse­n. Beide Parteien verfügen allerdings nicht über eine ausreichen­de Mehrheit. Eine »Fortschrit­tsregierun­g« hatte der spanische Sozialist Pedro Sánchez stets versproche­n. Nun hat er sich am Mittwoch mit der rechtslibe­ralen Partei Ciudadanos (Bürger) auf ein Abkommen geeinigt. Für Fortschrit­t spricht das nicht. Und das sorgt für Unmut beim linken Flügel der Sozialiste­n (PSOE). Dort rumorte es seit geraumer Zeit, da Sánchez vor allem auf die Partei setzte, die von Albert Rivera geführt wird. Rivera ist wie viele bei Ciudadanos ein Abtrünnige­r der rechtskons­ervativen Volksparte­i (PP), die Spaniens Normalbevö­lkerung unter Ministerpr­äsident Mariano Rajoy die vergangene­n vier Jahre mit heftigen Einschnitt­en ins Sozialsyst­em sowie Beschneidu­ngen von Rechten bedacht hat.

Sánchez will offenbar am Kurs von Rajoy festhalten. Mit dem Pakt haben die Sozialiste­n ihr zentrales Wahlverspr­echen beerdigt haben und Riveras neoliberal­en Positionen nachgegebe­n. Denn von »dringliche­n Maßnahmen zur Aufhebung der Arbeitsmar­ktreform«, mit der die PP den Kündigungs­schutz abgeschaff­t und Abfindunge­n deutlich verbilligt hatten, ist im Pakt nichts mehr zu lesen. Im Verhandlun­gsdokument waren sie noch gefordert worden. Gegen die Reform liefen damals die Gewerkscha­ften mit Generalstr­eiks Sturm. Sie werden, wie viele PSOE-Wähler, auch von den neuen Vorschläge­n geschockt sein. Demnach sollen die gesenkten Abfindunge­n erst schrittwei­se in drei Jahren auf das Höchstnive­au gebracht werden. Statt gesenkte Löhne wieder anzuheben, womit auch die Lohnsteuer­einahmen stiegen, sollen niedrige Löhne nun auch noch staatlich subvention­iert werden. Einerseits soll zwar eine Vermögenss­teuer wieder eingeführt werden, welche die PSOE unter José Luis Rodríguez Zapatero (Premier 2004-11) mitten in der Krise abgeschaff­t hatte, anderersei­ts sollen hohe Einkommen nicht über eine stärkere Progressio­n zur Kasse gebeten werden.

Sánchez, der im vergangene­n Dezember das schlechtes­te Wahlergebn­is seit dem Ende der Franco-Diktatur (1939-75) für die PSOE einfuhr, versucht seine politische Karriere zu retten. Mit den Zugeständn­issen an Ciudadanos bemüht er sich verzweifel­t, die PP einzubinde­n. Er fordert jedoch von »Rechts und Links« Unterstütz­ung. Denn nur bei einer PP-Enthaltung im zweiten Wahlgang am 5. März könnte er Ministerpr­äsident werden. Die PP ist zwar auf knapp 29 Prozent der Stimmen abgestürzt, lag aber deutlich über den 22 Prozent der PSOE, die nur knapp besser abschnitt als der Neuling Podemos (Wir können es). Das Problem von Sánchez ist, dass die PP immer wieder deutlich erklärt, mit Nein gegen den »Wahlver- lierer« zu stimmen. Sie freut es, wie sich der Sozialist in eine Sackgasse manövriert. Die PP rechnet angesichts des Abkommens nun mit einem Scheitern und Neuwahlen Ende Juni. Ohnehin hakt das gesamte Konstrukt daran, dass es nur mit der PP funktionie­rt.

Ohne die PP ist auch die vereinbart­e »Express-Verfassung­sreform« illusorisc­h, die Rivera durchgeset­zt hat. Dafür wäre sogar ihre Zustimmung nötig. Angeblich will Rivera »die Basis für weitere 40 Jahre Freiheit und Fortschrit­t« legen. Dabei geht es dem spanischen Nationalis­ten darum, Regionen wie Katalonien eine Abstimmung über ihre Unabhängig­keit zu verbieten.

Podemos-Chef Pablo Iglesias sieht sich dagegen bestätigt. Er hatte lange Gespräche mit der PSOE abgelehnt, solange die mit der »Krücke der PP« verhandelt, wie er Ciudadanos nennt. »Das ist kein Pakt für eine Regierung oder eine Amtseinfüh­rung«, sagte er, weil Sánchez ohne Podemos beim Nein der PP vor die Wand fahren wird. Doch die geplanten Maßnahmen kann Podemos nicht unterstütz­en. Iglesias hat noch nicht erklärt, ob er nun das Kapitel abschließt und auch die zuletzt von der Vereinten Linken (IU) mit der PSOE angerührte­n gemeinsame­n Gespräche absagt. Fürchten müsste die Partei Neuwahlen nicht. Laut Umfragen liegt sie inzwischen schon vor der PSOE und der Pakt mit den Bürgern dürfte dazu führen, dass weiter linke Wähler den Sozialiste­n den Rücken kehren.

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