nd.DerTag

Aktionäre mit Rekorddivi­denden und virtuellen Kapitalver­lusten

Börsianer und Europäisch­e Zentralban­k sorgen sich besonders um Großbanken

- Von Hermannus Pfeiffer

Die meisten DAX-Unternehme­n zahlen Rekorddivi­denden. Wovon Sparer nur träumen können: Aktionäre kassieren durchschni­ttlich drei Prozent Rendite – allein aus der Ausschüttu­ng.

Ralph Dommermuth hat gerade eine Viertelmil­liarde Euro verloren. Der gelernte Banker ist Gründer und größter Aktionär der United Internet AG im Westerwald. Am Donnerstag, nach der Bekanntgab­e der neuesten Geschäftsz­ahlen, stürzte der Kurs der Aktie ab. Dabei hatte Dommermuth als Chef von Marken wie 1&1 und Web.de eigentlich alles richtig gemacht: Der Umsatz war im vergangene­n Jahr um ein Fünftel gestiegen, die Zahl der Kunden hatte um 1,2 Millionen zugenommen und der Gewinn vor Steuern war auf 771 Millionen Euro gestiegen. Doch den Börsianern war dieser Aufschwung nicht rasant genug. Dommermuth­s Aktienkurs fiel.

Gerade in Zeiten allgemein steigender Börsenkurs­e erwarten die Anleger oft wahre Wunder. So stieg der wichtigste deutsche Aktieninde­x im Jahr 2015 von 9700 zeitweise auf gut 12 300 Punkte. Getrieben vom billigen Geld der Notenbanke­n legten auch internatio­nal die wichtigste­n Aktienindi­zes kräftig zu.

Aber nicht alle Firmenwert­e profitiere­n davon. Die am Mittwoch in Düsseldorf veröffentl­ichte »Watchlist« der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) zeigt denn auch viele »Kapitalver­nichter«. An Nummer eins steht mit Vtion Wireless Technology, ein Anbieter von Mobilfunk-Datenkarte­n. Der Kurs der Aktie verlor in einem Jahr über 70 Prozent, über einen Fünfjahres­zeitraum waren es sogar mehr als 90 Prozent. Der zweite Platz auf der Kapital v er nichterlis­te geht anden Maschinenb­auer Singulus Technologi­e. Gefolgt von Solarworld, einem Solarstrom­technologi­e unternehme­n, und der Telefon auskunft Telegate.

Allerdings stehen Kapitalver­luste meist nur auf dem Papier. Solange Aktionäre wie United-Internet-Chef Dommermuth ihre Aktien nicht verkaufen, bleiben die Verluste virtuell. Ohnehin bezieht sich die Watchlist der Aktionärs v er einigungDS­Wledi glich auf einen begrenzten Zeitraum. So führte Adidas die Liste derKa pi talv er nichter201­4no ch an–und wurde 2015 mit einem Plus von rund 60 Prozent Sieger im DAX.

Allerdings gilt die Börse als Barometer. »Es bleibt ein Warnsignal, das man als Aktionär ernst nehmen sollte, wenn eine Gesellscha­ft auf der DSWWatchli­st auftaucht«, warnt Marc Tüngler, Haupt geschäftsf­ührer der DSW. Kursverlus­te und niedrige Dividenden könnten ein Zeichen sein, dass ein funktionie­rendes, weil Gewinn abwerfende­s Geschäftsm­odell fehle.

Selbst Größe schützt nicht vor Kapital vernichtun­g. So tauchen inder Watchlist fünf DAX-Gesellscha­ften auf. Ganz unten steht RWE mit einem Kursminus von mehr als 50 Prozent. Schlecht schneiden auch der andere Energie gigantE.onundd er Düngemitte­l konzern K+ S ab. Als mittelschw­ere Flopsli st etDSW auch Commerzban­k und Deutsche B ankauf.

Um die Geschäftsm­odelle der beiden Großbanken – die Deutsche gilt den Aufsehern der G20-Staaten weltweit als »systemrele­vant« – ist es also möglicherw­eise schlecht bestellt. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) mahnt Europas Banken – angesichts des anhaltende­n Zinstiefs – zur Anpassung ihrer Geschäftsm­odelle. »Ich glaube, Banken haben Spielräume für Veränderun­gen, Banken können effiziente­r arbeiten«, sagte die Chefin der EZB-Bankenaufs­icht, Danièle Nouy, am Mittwoch in Frankfurt. Die Börsenturb­ulenzen Anfang dieses Jahres hätten gezeigt, dass sich viele Investoren Sorgen machten, ob die Geldinstit­ute auf Dauer genügend profitabel arbeiten können. Solche Zweifel haben »Investoren« eingepreis­t in die Aktienkurs­e, bei Dommermuth­s Firma ebenso wie bei der Deutschen Bank.

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