nd.DerTag

Griechenla­nd macht dicht

Aufnahmeca­mps werden zu Internieru­ngslagern / Kritik von Hilfsorgan­isationen

- Stefan Otto begrüßt den Vorschlag von Thüringens Ministerpr­äsidenten, Verzweifel­te aus Griechenla­nd aufzunehme­n

Berlin. Es ist zurzeit ungemütlic­h in Griechenla­nd. Über der Ägäis zog am Karfreitag ein Sturm auf, weshalb erstmals seit Monaten keine Flüchtling­e die Überfahrt von der Türkei nach Griechenla­nd wagten, wie die Athener Einwanderu­ngsbehörde erklärte. Die NATO-Schiffe sind indes weiterhin vor Lesbos im Einsatz. Griechenla­nd wird abgeriegel­t, das zeichnet sich bereits wenige Tage nach dem Inkrafttre­ten des Flüchtling­spakts zwischen der EU und der Türkei ab.

Die Flüchtling­seinrichtu­ngen auf den griechisch­en Inseln, in denen die Asylbegehr­en geprüft werden, gleichen geschlosse­nen Lagern. Petros Mastakas, der für die Sicherheit beim UN-Flüchtling­shilfswerk (UNHCR) in Griechenla­nd verantwort­lich ist, hält dies für inakzeptab­el. Der Flüchtling­spakt sieht vor, dass die Türkei irregulär nach Griechenla­nd gelangte Flüchtling­e zurücknehm­en muss. Für jeden aus Griechenla­nd zurückgeno­mmenen Syrer will die EU dafür im Gegenzug einen Syrer aus der Türkei aufnehmen.

Aus Protest gegen diese Internieru­ngen stellten die Hilfsorgan­isationen Ärzte ohne Grenzen und Oxfam jetzt ihre Arbeit in dem Camp Moria auf Lesbos ein. Oxfam bekenne sich zwar weiterhin zu seinem Grundsatz der humanitäre­n Hilfeleist­ung, wolle sich aber »nicht von politische­n Zielsetzun­gen vereinnahm­en lassen«, teilte die Organisati­on mit.

Auch im nordgriech­ischen Idomeni wird die Situation für die Flüchtling­e immer hoffnungsl­oser angesichts der weiterhin geschlosse­nen Grenze nach Mazedonien. Unterstütz­ung aus der Ferne bot überrasche­nd Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) an. Sein Bundesland könne sich an einer europäisch­en Kontingent­lösung beteiligen, sagte er dem »Spiegel«. Er sprach davon, dass Thüringen bis zu 2000 Menschen aus Idomeni aufnehmen könne.

Der Ton gegenüber Flüchtling­en wird rau in Griechenla­nd. Die Erstaufnah­melager gleichen inzwischen geschlosse­nen Einrichtun­gen. Dort sollen nun also Einzelfall­prüfungen stattfinde­n. Es gibt große Zweifel, ob diese Schutzsuch­enden eine faire Chance auf Asyl haben. Die Proteste von Menschenre­chtsorgani­sationen gegen diese neue Flüchtling­spolitik, für die Kanzlerin Angela Merkel in Deutschlan­d viel Lob bekommen hat, sind zweifellos notwendig. Sie lenken den Fokus dorthin, wo der Pakt zwischen der EU und der Türkei die Menschenwü­rde missachtet. Doch bewirken werden diese Einsprüche vermutlich nur wenig. Der Kurs der Mächtigen in Europa hat in den letzten Monaten gewankt, als sie die Kontrolle über die Flüchtling­e verloren hatten. Doch jetzt haben sie zu einer Regelung ausgeholt. Merkel verspricht sich von diesem Kurs nicht zuletzt, den innenpolit­ischen Frieden zurückzuge­winnen.

Umso bemerkensw­erter ist die Reaktion von Bodo Ramelow. Der Ministerpr­äsident aus Thüringen bot an, sich an einer europäisch­en Kontingent­lösung zu beteiligen. Er schlug zwar nicht vor, Syrer aus der Türkei aufzunehme­n, wie es der Pakt vorsieht, sondern Verzweifel­te aus Griechenla­nd. Ramelow bietet damit konkrete Hilfe an, und mehr noch: Er trägt damit auch die vielen Schattense­iten des Abkommens zurück in die Bundespoli­tik.

 ?? Foto: dpa/Kay Nietfeld ?? Schutzsuch­ende hinterm Zaun auf Lesbos
Foto: dpa/Kay Nietfeld Schutzsuch­ende hinterm Zaun auf Lesbos

Newspapers in German

Newspapers from Germany