Griechenland macht dicht
Aufnahmecamps werden zu Internierungslagern / Kritik von Hilfsorganisationen
Berlin. Es ist zurzeit ungemütlich in Griechenland. Über der Ägäis zog am Karfreitag ein Sturm auf, weshalb erstmals seit Monaten keine Flüchtlinge die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland wagten, wie die Athener Einwanderungsbehörde erklärte. Die NATO-Schiffe sind indes weiterhin vor Lesbos im Einsatz. Griechenland wird abgeriegelt, das zeichnet sich bereits wenige Tage nach dem Inkrafttreten des Flüchtlingspakts zwischen der EU und der Türkei ab.
Die Flüchtlingseinrichtungen auf den griechischen Inseln, in denen die Asylbegehren geprüft werden, gleichen geschlossenen Lagern. Petros Mastakas, der für die Sicherheit beim UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Griechenland verantwortlich ist, hält dies für inakzeptabel. Der Flüchtlingspakt sieht vor, dass die Türkei irregulär nach Griechenland gelangte Flüchtlinge zurücknehmen muss. Für jeden aus Griechenland zurückgenommenen Syrer will die EU dafür im Gegenzug einen Syrer aus der Türkei aufnehmen.
Aus Protest gegen diese Internierungen stellten die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und Oxfam jetzt ihre Arbeit in dem Camp Moria auf Lesbos ein. Oxfam bekenne sich zwar weiterhin zu seinem Grundsatz der humanitären Hilfeleistung, wolle sich aber »nicht von politischen Zielsetzungen vereinnahmen lassen«, teilte die Organisation mit.
Auch im nordgriechischen Idomeni wird die Situation für die Flüchtlinge immer hoffnungsloser angesichts der weiterhin geschlossenen Grenze nach Mazedonien. Unterstützung aus der Ferne bot überraschend Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) an. Sein Bundesland könne sich an einer europäischen Kontingentlösung beteiligen, sagte er dem »Spiegel«. Er sprach davon, dass Thüringen bis zu 2000 Menschen aus Idomeni aufnehmen könne.
Der Ton gegenüber Flüchtlingen wird rau in Griechenland. Die Erstaufnahmelager gleichen inzwischen geschlossenen Einrichtungen. Dort sollen nun also Einzelfallprüfungen stattfinden. Es gibt große Zweifel, ob diese Schutzsuchenden eine faire Chance auf Asyl haben. Die Proteste von Menschenrechtsorganisationen gegen diese neue Flüchtlingspolitik, für die Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland viel Lob bekommen hat, sind zweifellos notwendig. Sie lenken den Fokus dorthin, wo der Pakt zwischen der EU und der Türkei die Menschenwürde missachtet. Doch bewirken werden diese Einsprüche vermutlich nur wenig. Der Kurs der Mächtigen in Europa hat in den letzten Monaten gewankt, als sie die Kontrolle über die Flüchtlinge verloren hatten. Doch jetzt haben sie zu einer Regelung ausgeholt. Merkel verspricht sich von diesem Kurs nicht zuletzt, den innenpolitischen Frieden zurückzugewinnen.
Umso bemerkenswerter ist die Reaktion von Bodo Ramelow. Der Ministerpräsident aus Thüringen bot an, sich an einer europäischen Kontingentlösung zu beteiligen. Er schlug zwar nicht vor, Syrer aus der Türkei aufzunehmen, wie es der Pakt vorsieht, sondern Verzweifelte aus Griechenland. Ramelow bietet damit konkrete Hilfe an, und mehr noch: Er trägt damit auch die vielen Schattenseiten des Abkommens zurück in die Bundespolitik.