Angeprangert
Es ist eine zumal hierzulande berechtigte Frage, welche Kritik an Israel sachlich ist – und ab wann in ihr Untertöne mitschwingen, die eher auf die Eltern und Großeltern verweisen als auf die Sache des Friedens. Dass sich etwa München jüngst entschloss, der »Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit« (IFFF) doch nicht seinen Frauenpreis zu verleihen, ist vertretbar: So sehr man Israels Militärschläge in Gaza verurteilen kann, so wenig scheint die Rede von einer »Vernichtungsmaschine« angemessen.
Wie aber steht es mit der These, die Regierung von Benjamin Netanjahu sei »allemal« so rechts wie »die deutschen Rechtspopulisten« der AfD? Geschrieben hat dies Jakob Augstein. Und das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat ihn deswegen auf seine seit 2010 jährlich publizierte Negativliste des Antisemitismus gesetzt – nicht unter den »Top Ten«, doch als »unehrenhafte Erwähnung«.
Augstein, 1967 als Sohn von Martin Walser und der Lebensgefährtin Rudolf Augsteins geboren, aber als Sohn des »Spiegel«-Gründers aufgewachsen, ist sogar Wiederholungstäter: Schon 2012 stand er auf der Liste – er hatte Gaza ein Gefängnis genannt, in dem sich Israel einen Gegner ausbrüte.
Ärgern wird sich der linksliberale Publizist vielleicht über die neuerliche Anprangerung. Doch grämen muss er sich nicht. Denn das in Los Angeles ansässige Wiesenthal-Zentrum – nicht mit dem Wiener Institut zu verwechseln, das direkt auf den »Nazijäger« zurückgeht – schießt weit über das Ziel hinaus. 2015 etwa steht die EU an Platz drei, weil Produkte aus den besetzten Gebieten nicht mehr als »Made in Israel« gelten.
Das Zentrum will »Diskussionen auslösen«. Doch muss es sich fragen lassen, ob es nicht eher um das Gegenteil geht. Wer es als »antisemitisch« inkriminiert, eine Regierung mit rechtsradikaler Beteiligung rechts zu nennen, beleidigt nicht nur erhebliche Teile auch der israelischen Bevölkerung. Er nimmt den Begriff als letztlich parteipolitische Geisel und beraubt ihn seines Gehalts. Das ist nicht im Sinn jener historischen Wachsamkeit, die ja tatsächlich weiterhin geboten ist.