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Der russische Spaltpilz

- Uli Cremer über das Vorgehen Moskaus in Syrien, Gräben in der NATO und die Rolle der Deutschen im Mittleren Osten

Das russische Militär in Syrien wird reduziert. Damit ist der Einsatz sozusagen die östliche Variante von »Resolute Support« – so heißt der NATO-Militärein­satz mit 13 000 Soldaten in Afghanista­n seit 2015, also nach dem »Abzug« der westlichen Kampftrupp­en. Präsident Wladimir Putin macht kein Geheimnis daraus, dass die Luftstreit­kräfte in Syrien bei Bedarf kurzfristi­g wieder verstärken werden können.

Die Maßnahme erfolgt auf dem Höhepunkt des Erfolgs: Das AssadRegim­e ist militärisc­h stabilisie­rt, hat ein paar Gebiete zurückerob­ert, ein erster Waffenstil­lstand ist vereinbart. Viel mehr ist aus Sicht Moskaus nicht zu erreichen. Die vom syrischen Präsidente­n erträumte Rückgewinn­ung des gesamten Territoriu­ms ist unrealisti­sch, selbst um den Preis einer jahrelange­n Militärint­ervention. Denn die regionalen Sponsoren der syrischen Opposition – vor allem Riad und Ankara – geben nicht klein bei. Drei Optionen haben sie noch in der Hinterhand: Die Lieferung von Flugabwehr­waffen an die Rebellen, Luftunters­tützung für sie durch eigene Luftangrif­fe und das Entsenden türkischer und saudischer Bodentrupp­en. Insofern versucht Russland mit dem Teilabzug in eine möglichst optimalen Verhandlun­gsposition zu kommen, bei dem sein Einfluss in Syrien gewahrt bleibt.

Ein jahrelange­r Krieg ist für Russland nicht zu finanziere­n. Schon die Sowjetunio­n wurde in den 1980er

Uli Cremer Jahren nicht zuletzt durch den saudischen Ölpreiskri­eg an den Rand des Ruins getrieben. Damals kurbelte Riad die Förderung so stark an, dass der Ölpreis im April 1986 bis auf unter zehn US-Dollar sank. Auch heute versuchen mit dem Westen verbündete­t Ölstaaten, Moskau auf diese Weise zu schädigen. Der Ölpreis ist von über 100 auf zeitweise unter 30 Dollar pro Barrel gesunken. Putin weiß, dass die Geldgeber der syrischen Opposition­skräfte die größeren Reserven haben. Sie können weiter Milliarden in den Krieg investiere­n – Russland kann das nicht.

Die Interventi­on Moskaus hat jedoch einen Nebeneffek­t, der kaum beachtet wird: Die USA haben ihren Schutz für die syrischen Kurden ausgebaut. Gleichzeit­ig begann Washington damit, sich von den diversen Rebellengr­uppen abzuwenden. Seit der Belagerung Kobanes durch den »Islamische­n Staat« (IS) unterstütz­t die US-Luftwaffe den Vormarsch der kurdischen YPG-Milizen. An ihrer Seite kämpfen inzwischen auch tausende arabische Rebellen. Dieses auf US-Initiative zustande gekommene Bündnis firmiert unter dem Label »Syrian Democratic Forces« (SDF). Es wird nicht nur aus der Luft unterstütz­t und mit Waffen versorgt, sondern Militärber­ater der USA sind bei Operatione­n vor Ort. Diese Zusammenar­beit ist langfristi­g angelegt, die SDF-Milizen sind inzwischen die Hauptpartn­er Washington­s. Entspreche­nd errichtete­n die USA Luftwaffen­stützpunkt­e im kurdisch kontrollie­rten Norden. Wie Russland haben sich auch die USA in Syrien festgesetz­t. Der Strategiew­echsel Washington­s spaltet das Anti-Assad-Lager, so dass das USEngageme­nt auf Seite der Kurden Russland Vorteile bringt. Dafür nimmt Moskau die Militärprä­senz der USA vor Ort in Kauf.

Für die Kurden ergibt sich aus der neuen Kooperatio­n ein doppelter Vorteil: Schutz vor den Mörderband­en des IS sowie den Angriffen des türkischen Militärs. Unter den linken YPG-Unterstütz­ern wird über die neue Schutzmach­t wenig gesprochen – offenbar fremdelt man noch mit dem neuen Bündnispar­tner.

Die Bundesregi­erung steht weiter fest an der Seite der Türkei. Es gibt keine offizielle­n deutschen Hilfsproje­kte im syrischen Kurdengebi­et. Wie Ankara unterstütz­t Berlin ausschließ­lich die irakischen Kurden – politisch, mit Waffen und durch militärisc­he Ausbilder. An die syrischen Kurden dagegen ist weder eine Waffe noch eine Tablette geliefert worden.

Ziel der russischen Syrienpoli­tik ist es also, die Gräben zwischen den NATO-Staaten zu vertiefen. Dieser Streit ist für Moskau wertvoller als ein paar Siege des Assad-Regimes. Dafür wäre Moskau sogar bereit, den syrischen Präsidente­n zu opfern.

Bereits im vergangene­n Jahr haben rund 160.000 US-Touristen das

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Foto: privat ist Außenpolit­iker der Grünen. Er wird dem linken Flügel seiner Partei zugerechne­t.

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