Eine Frage der Perspektive
Diskussion im nd-Gebäude über Grundeinkommen
Ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ein linkes Projekt? Die LINKE tut sich schwer mit der Antwort. Die gewerkschaftsnahen GenossInnen in der Sozialistischen Linken befürchten eine Entwertung der Lohnarbeit und unterstellen Befürwortern, sie hielten Arbeit für »sinnlos und überflüssig«. Die Anhänger wiederum, die sich unter anderem bei der BAG Grundeinkommen sammeln, halten ihren Ansatz für emanzipatorisch und unabdingbar für die Schaffung einer »solidarischen, partizipativen und kooperativen Gesellschaft«. Ein Kompromiss scheint derzeit nicht möglich – zumindest was die nationale Perspektive anbelangt. Selbst die 2012 auf dem Göttinger Parteitag beschlossene Mindestsicherung von 1050 Euro halten Vertreter des Gewerkschaftsflügels für unrealistisch. Doch im internationalen Kontext scheinen die Fronten weniger verhärtet, wie sich am Mittwoch auf einer Podiumsdiskussion des »nd« in Berlin zeigte.
Grundlage der Debatte war das Pilotprojekt Grundeinkommen in Namibia (siehe Interview). Harri Grünberg, Sprecher Sozialistischen Linken, sagte, man müsse die Debatten in den Ländern der Dritten Welt und den Industrienationen entkoppeln. Ein BGE sei in den Ländern des Südens »ein linkes Projekt«, weil es dabei helfe, »aus der Armutsfalle rauszukommen«. Es könne den Binnenmarkt stärken und im besten Fall die Entwicklung einer exportunabhängigen Konsumgüterindustrie unterstützen. Grünberg nannte Projekte wie die Mikrokredite in Indien oder die »Grundsubsistenz« in Venezuela. Anders stelle sich das in Deutschland dar: »Wir müssen vom Kapitalismus eine Vollbeschäftigung fordern.«
Die Forderung nach Vollbeschäftigung sei »wenig fruchtbringend«, widersprach Olaf Ostertag, weil Beschäftigung sich im Wandel befinden. Der Mitbegründer der BAG Grundeinkommen verwies auf das Konzept für »eine globale Grundeinkommens-Gesellschaft« von der Universität Tokio: In drei Stufen müsse der Hunger besiegt werden, dann die Armut, um schlussendlich die Teilhabe zu organisieren. Geschehe das nicht, so Ostertag, würde die Fluchtbewegung nach Norden anhalten. Entwicklungshelferin Simone Knapp verdeutlichte die afrikanische Perspektive und machte auf eine Form des solidarischen Wirtschaftens aufmerksam, die sich vom Westen weitgehend unbeachtet durchgesetzt habe.