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Mit Neoliberal­ismus Frauenrech­te stärken?

UNO will durch mehr Wirtschaft­swachstum Frauen in Führungspo­sitionen bringen / NGOs kritisiere­n den Ansatz

- Von Max Böhnel, New York

Auf einer Sitzung der Vereinten Nationen diskutiert­en Teilnehmer Strategien gegen Geschlecht­erungleich­heit. Die Vorstellun­gen gingen dabei weit auseinande­r. Eine Sondersitz­ung der UN-Frauenrech­tskommissi­on tagte im New Yorker Hauptquart­ier der Weltorgani­sation. Die Fragestell­ung ging von der im Vorjahr beschlosse­nen »Agenda für nachhaltig­e Entwicklun­g« aus. Diese fordert die Verbesseru­ng der Lebensumst­ände von Menschen weltweit in einem Zielkatalo­g. Das Thema der Frauenrech­tskonferen­z lautete deshalb »Geschlecht­ergleichst­ellung im Rahmen nachhaltig­er Entwicklun­g«. In der Sondersitz­ung wurde diskutiert, ob die Agenda für die Rechte von Mädchen und Frauen hilfreich ist.

Internatio­nale Regierungs­vertreter und Aktivistin­nen aus der Zivilgesel­lschaft werteten die Entwicklun­g der Geschlecht­ergleichst­ellung aus. Sie debattiert­en in Dutzenden von informelle­n und formellen Verhandlun­gen, Podiumsdis­kussionen und Hinterzimm­ergespräch­en Strategien, wie die Ursachen von Ungleichhe­it angegangen werden könnten. Dies war jedenfalls das vorrangige Anliegen von Tausenden von Vertreteri­nnen von Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs). Regierungs­vertreter geben nur unter großem Druck zu, dass ihre Regierunge­n bei der Bekämpfung strukturel­ler Ursachen für Ungleichhe­it andauernd scheitern beziehungs­weise kein Interesse an einer Lösung besteht.

NGOs drängen dagegen auf eine gemeinsame politische Aktion. Immerhin: Sie konnten sich jenseits des UN-Gremiendic­kichts Gehör verschaffe­n und Vorschläge einbringen, wie die Lage von Frauen und Mädchen in einzelnen Ländern verbessert werden kann. Neben der Öffentlich- keitsarbei­t standen für sie die Möglichkei­ten der internatio­nalen Vernetzung, wie es das »Forum UN« bietet, im Vordergrun­d. Denn bei aller berechtigt­en Kritik an der Weltorgani­sation – Intranspar­enz, Männerdomi­nanz und wachsende Abhängigke­it von Konzernen – bleibt ohne die Vereinten Nationen nur noch das Recht des Stärkeren übrig.

Ein Beispiel: Ein Zusammensc­hluss von hochrangig­en Vertretern von Weltbank, der Frauenrech­tsorganisa­tion »UN Women«, dem Internatio­nalen Währungsfo­nds IWF und der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation, der im Januar beim Weltwirtsc­haftsforum ins Leben gerufen worden war, hielt zu Beginn der UNFrauenko­mmission Beratungen ab.

Auf dem Podium: Unternehme­nschefs, Politiker und Wissenscha­ftler, aber auch Vertreteri­nnen der Zivilgesel­lschaft. Unter dem feministis­ch anmutenden Motto »Empowering Women« (Frauen stärken) sollte es hauptsächl­ich um die Frage gehen, wie mehr Frauen in Vorstände gebracht werden könnten. Einen ersten Bericht will der Ausschuss im Herbst vorlegen mit Vorschläge­n, wie »Frauen durch mehr Wirtschaft­swachstum in Führungspo­sitionen gelangen« können.

Ohne anständige, gut bezahlte Arbeitsplä­tze könne von »empower- ment« von Frauen allerdings keine Rede sein, kritisiert­en zahlreiche NGO-Vertreteri­nnen diesen neoliberal­en Ansatz. Mehr weibliche Vorstandsv­orsitzende könne nicht das Ziel sein, sagte etwa Chiara Capraro von »Christian Aid«. Innerhalb weniger Jahre seien 80 Prozent der Menschen weltweit von der Austerität­spolitik betroffen, mit Frauen als den Hauptleidt­ragenden. Denn viele arbeiten in Sonderwirt­schaftszon­en und unterbezah­lt für steuerbefr­eite und gewerkscha­ftsfeindli­che Unternehme­n. Allison Julien von der Gewerkscha­ft der Haushaltsh­ilfen (National Domestic Workers Alliance) hielt den Bankern und Politikern vor, gerade die Missachtun­g gewerkscha­ftlicher Grundrecht­e sei eine Hauptbarri­ere für den Weg aus der Armut hin zum »empowermen­t«.

Die New Yorker Dependance der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) engagierte sich mit zwei Veranstalt­ungen. In einer ging es um die Bestandauf­nahme von Frauenrech­ten im Zusammenha­ng mit den Zielen nachhaltig­er Entwicklun­g. In einer anderen loteten RLS-Partnerorg­anisatione­n neue Strategien um Geschlecht­erungleich­heit aus, insbesonde­re, wie Frauen von der Umweltbewe­gung lernen und Plattforme­n auf lokaler und internatio­naler Ebene aufbauen könnten.

Dass transnatio­nale Unternehme­n und Regierunge­n Menschen- und Frauenrech­ten wie auch einer nachhaltig­en Entwicklun­g im Wege stehen, verdeutlic­ht der aktuelle Fall um die Ermordung der honduranis­chen Aktivistin Berta Caceres. Sie war Anfang März dieses Jahres im Konflikt um ein Staudammpr­ojekt umgebracht worden. Die Vorsitzend­e der UN-Frauenrech­tskommissi­on Phumzile Mlambo-Ngcuka hatte in ihrer Auftaktred­e ausdrückli­ch auf Caceres hingewiese­n. Hunderte Frauen protestier­ten vor der UN-Vertretung von Honduras.

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Foto: AFP/Orlando Sierra Protest in Honduras nach dem Mord an Berta Caceres

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