Mit Neoliberalismus Frauenrechte stärken?
UNO will durch mehr Wirtschaftswachstum Frauen in Führungspositionen bringen / NGOs kritisieren den Ansatz
Auf einer Sitzung der Vereinten Nationen diskutierten Teilnehmer Strategien gegen Geschlechterungleichheit. Die Vorstellungen gingen dabei weit auseinander. Eine Sondersitzung der UN-Frauenrechtskommission tagte im New Yorker Hauptquartier der Weltorganisation. Die Fragestellung ging von der im Vorjahr beschlossenen »Agenda für nachhaltige Entwicklung« aus. Diese fordert die Verbesserung der Lebensumstände von Menschen weltweit in einem Zielkatalog. Das Thema der Frauenrechtskonferenz lautete deshalb »Geschlechtergleichstellung im Rahmen nachhaltiger Entwicklung«. In der Sondersitzung wurde diskutiert, ob die Agenda für die Rechte von Mädchen und Frauen hilfreich ist.
Internationale Regierungsvertreter und Aktivistinnen aus der Zivilgesellschaft werteten die Entwicklung der Geschlechtergleichstellung aus. Sie debattierten in Dutzenden von informellen und formellen Verhandlungen, Podiumsdiskussionen und Hinterzimmergesprächen Strategien, wie die Ursachen von Ungleichheit angegangen werden könnten. Dies war jedenfalls das vorrangige Anliegen von Tausenden von Vertreterinnen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Regierungsvertreter geben nur unter großem Druck zu, dass ihre Regierungen bei der Bekämpfung struktureller Ursachen für Ungleichheit andauernd scheitern beziehungsweise kein Interesse an einer Lösung besteht.
NGOs drängen dagegen auf eine gemeinsame politische Aktion. Immerhin: Sie konnten sich jenseits des UN-Gremiendickichts Gehör verschaffen und Vorschläge einbringen, wie die Lage von Frauen und Mädchen in einzelnen Ländern verbessert werden kann. Neben der Öffentlich- keitsarbeit standen für sie die Möglichkeiten der internationalen Vernetzung, wie es das »Forum UN« bietet, im Vordergrund. Denn bei aller berechtigten Kritik an der Weltorganisation – Intransparenz, Männerdominanz und wachsende Abhängigkeit von Konzernen – bleibt ohne die Vereinten Nationen nur noch das Recht des Stärkeren übrig.
Ein Beispiel: Ein Zusammenschluss von hochrangigen Vertretern von Weltbank, der Frauenrechtsorganisation »UN Women«, dem Internationalen Währungsfonds IWF und der Internationalen Arbeitsorganisation, der im Januar beim Weltwirtschaftsforum ins Leben gerufen worden war, hielt zu Beginn der UNFrauenkommission Beratungen ab.
Auf dem Podium: Unternehmenschefs, Politiker und Wissenschaftler, aber auch Vertreterinnen der Zivilgesellschaft. Unter dem feministisch anmutenden Motto »Empowering Women« (Frauen stärken) sollte es hauptsächlich um die Frage gehen, wie mehr Frauen in Vorstände gebracht werden könnten. Einen ersten Bericht will der Ausschuss im Herbst vorlegen mit Vorschlägen, wie »Frauen durch mehr Wirtschaftswachstum in Führungspositionen gelangen« können.
Ohne anständige, gut bezahlte Arbeitsplätze könne von »empower- ment« von Frauen allerdings keine Rede sein, kritisierten zahlreiche NGO-Vertreterinnen diesen neoliberalen Ansatz. Mehr weibliche Vorstandsvorsitzende könne nicht das Ziel sein, sagte etwa Chiara Capraro von »Christian Aid«. Innerhalb weniger Jahre seien 80 Prozent der Menschen weltweit von der Austeritätspolitik betroffen, mit Frauen als den Hauptleidtragenden. Denn viele arbeiten in Sonderwirtschaftszonen und unterbezahlt für steuerbefreite und gewerkschaftsfeindliche Unternehmen. Allison Julien von der Gewerkschaft der Haushaltshilfen (National Domestic Workers Alliance) hielt den Bankern und Politikern vor, gerade die Missachtung gewerkschaftlicher Grundrechte sei eine Hauptbarriere für den Weg aus der Armut hin zum »empowerment«.
Die New Yorker Dependance der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) engagierte sich mit zwei Veranstaltungen. In einer ging es um die Bestandaufnahme von Frauenrechten im Zusammenhang mit den Zielen nachhaltiger Entwicklung. In einer anderen loteten RLS-Partnerorganisationen neue Strategien um Geschlechterungleichheit aus, insbesondere, wie Frauen von der Umweltbewegung lernen und Plattformen auf lokaler und internationaler Ebene aufbauen könnten.
Dass transnationale Unternehmen und Regierungen Menschen- und Frauenrechten wie auch einer nachhaltigen Entwicklung im Wege stehen, verdeutlicht der aktuelle Fall um die Ermordung der honduranischen Aktivistin Berta Caceres. Sie war Anfang März dieses Jahres im Konflikt um ein Staudammprojekt umgebracht worden. Die Vorsitzende der UN-Frauenrechtskommission Phumzile Mlambo-Ngcuka hatte in ihrer Auftaktrede ausdrücklich auf Caceres hingewiesen. Hunderte Frauen protestierten vor der UN-Vertretung von Honduras.