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Meinungsor­ientiert und wertend

Studie kritisiert Berichters­tattung zu Griechenla­nd

- Von Alexander Isele

Deutsche Medien haben zu regierungs­nah und wertend über die Staatsschu­ldenkrise in Griechenla­nd berichtet. Das zeigt jetzt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Was für Gründe kann es haben, wenn nur 35 Prozent der befragten Personen Vertrauen in die Medienberi­chte zu einem bestimmten Thema haben? Im Mai 2015 führte das Meinungsfo­rschungsin­stitut »infratest dimap« im Auftrag der Wochenzeit­ung »Die Zeit« eine Umfrage durch, bei der herauskam, 63 Prozent der Befragten haben wenig oder kein Vertrauen in die Berichte deutscher Medien zur griechisch­en Staatsschu­ldenkrise.

Kim Otto, Redakteur beim ARD-Politmagaz­in »Monitor« und Professor für Wirtschaft­sjournalis­mus an der Universitä­t Würzburg, war selbst »erschrocke­n über die Berichters­tattung«. Zusammen mit Andreas Köhler verfasste er im Auftrag der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die Studie »Die Berichters­tattung deutscher Medien in der griechisch­en Staatsschu­ldenkrise«, am Mittwoch wurde sie in Berlin vorgestell­t. Die Studie umfasst den Zeitraum von der Formierung der neuen griechisch­en Regierung unter Alexis Tsipras am 28. Januar 2015 bis zum Auslaufen der zweiten Runde der Notkredite am 30. Juni des Jahres. Insgesamt wurden 1442 Artikel der Tageszeitu­ngen »Die Welt«, »Bild«, »Frankfurte­r Allgemeine Zeitung«, »Süddeutsch­e Zeitung« und »Die Tageszeitu­ng« sowie der Onlineplat­tform »Spiegel Online« ausgewerte­t.

Das Ergebnis: »Es zeigt sich, dass die Berichters­tattung zur griechisch­en Staatsschu­ldenkrise sehr stark regierungs­geprägt, mehrheitli­ch meinungsor­ientiert und wertend ist. Dabei wird die deutsche Regierung in den Artikeln viel weniger gewertet als die griechisch­e. Es werden erheblich häufiger Aussagen über die griechisch­e Regierung gemacht, als dass diese zu Wort kommt.« In 26 Prozent der untersucht­en Artikel gingen Meinungen und Wertungen direkt von Journalist­en aus. »Insgesamt erfüllt die Berichters­tattung nicht die erforderli­chen Qualitätss­tandards.«

Die Studie kritisiert vor allem, dass die Diskussion über unterschie­dliche Reformen der griechisch­en Regierung nur unzureiche­nd berichtet wurde. In 558 der 1442 untersucht­en Artikel wurden kein einziger konkreter Reformvors­chlag aufgegriff­en; stattdesse­n befassten sich die deutschen Medien vor allem (in 47 Prozent der Artikel) mit allgemeine­n Hilfsprogr­amme, vor allem mit dem Auslaufen der Raten. Auch wurde dem Thema Weltkriegs­reparation­en ausgiebig Platz eingeräumt: 74 Artikel beschäftig­ten sich mit griechisch­en Reparation­sforderung­en, mehr Artikel als zu vielen der zentralen Reformvorh­aben.

Zudem stellten die Medien die Krise als einen bi-nationalen Konflikt zwischen der griechisch­en und der deutschen Regierung dar, personifiz­iert zunächst im Konflikt der beiden Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis, später der Regierungs­chefs Angela Merkel und Ale- xis Tsipras. Europäisch­e Akteure wie die Europäisch­e Kommission, das EUParlamen­t und zentrale Organisati­onen wie die Europäisch­e Zentralban­k und der Internatio­nale Währungsfo­nds waren entgegen ihrer Rolle stark unterreprä­sentiert.

Vor allem bei den Springer-Zeitungen »Bild« und »Welt« ließen die Redakteure ihre eigenen Meinungen mit einfließen, bei »Bild« sogar zu einhundert Prozent negativ. Während über die griechisch­e Regierung mehrheitli­ch negativ berichtet wurde, wurde die deutsche Regierung viel weniger bewertet. Am Ausgewogen­sten berichtete­n die »taz« und die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung, die beiden Seiten Platz einräumten, und die sowohl die griechisch­e wie auch die deutsche Regierung kritisiert­en.

Welchen Einfluss die Berichters­tattung auf die Bevölkerun­g hatte, lässt sich am Meinungsum­schwung zur Frage nach dem Verbleib Griechenla­nds im Euro ablesen. Waren im Januar noch 55 Prozent der befragten Personen dafür, sank dieser Wert bis Mai auf 41 Prozent. Im genau gleichen Zeitraum sank auch das Vertrauen in die deutschen Medien.

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