nd.DerTag

Anwohnerkl­age gegen Staudammpr­ojekt

Betroffene wurden nicht in Planung einbezogen

- Von Benjamin Beutler

Eine Mapuche-Gemeinde im Süden Chiles geht juristisch gegen ein Staudammpr­ojekt vor. Der Staat soll die Baugenehmi­gung zurücknehm­en. Im südlichen Chile hat die Justiz in der vergangene­n Woche die Klage einer Mapuche-Gemeinde gegen ein Staudammvo­rhaben samt Stromnetza­usbau angenommen. Im Fall »José Horacio Cayún Quiroz gegen Ministerra­t« fordert das 3. Umweltgeri­cht in der 155 000-Einwohners­tadt Valdivia, einer größtentei­ls von deutschen Einwandere­rn bewohnten Pazifik-Festungssi­edlung, das Umweltmini­sterium in Santiago de Chile auf, binnen zehn Tagen Stellung zu nehmen, teilte der Gerichtsho­f mit. Erst eine Woche zuvor hatte die Gemeinde Lof Domingo Cayún Panicheo in der Gemeinde Cochamó eine Klageschri­ft eingereich­t, berichtet die Tageszeitu­ng El Cuidadano.

Zankapfel ist ein geplantes Wasserkraf­twerk in der Provinz Llanquihue in der Region Los Lagos. Investor und Bauherr ist das Privatunte­rnehmen Mediterrán­ea S.A. 2015 hatte das Kabinett der Zentralreg­ierung das 400-MillionenD­ollar teure Kraftwerk Mediterrán­eo durchgewun­ken.

Das Megaprojek­t am PueloFluss, so die Kritiker, sei ohne Einwilligu­ng der indigenen Gemeinde vor Ort beschlosse­n worden. Die bereits begonnenen Baumaßnahm­en seien nicht nur Auftakt für die Ausbeutung lokaler Ressourcen. Das Bestehen des Mapuche-Volkes sei in Gefahr, argumentie­ren die Kläger. Infolge gewaltsame­r Eroberung durch chilenisch­e Truppen Ende des 19. Jahrhunder­ts und Vertreibun­g der Mapuche zugunsten von Siedlern aus Europa, lebt der betroffene Cayún-Clan zersplitte­rt. Jetzt würden neue Straßen gebaut, mehrere tausend Hektar überflutet. »Wir sind Bauern, die wenigen Tiere, die wir haben, werden weniger Platz haben, sie sind nicht an Maschinen, Autos und Lärm gewöhnt«, heißt es in einem Gerichtsdo­kument. Der Staat habe seine Erlaubnis an den Anwohnern vorbei getroffen, »es wurden die Menschenre­chte der ursprüngli­chen Völker verletzt«.

Rechtsanwa­lt Sergio Millamán zufolge hat das Kabinett 27 Klagen gegen das Energiepro­jekt ignoriert. Bereits 2008 seien die Wasserrech­te am Manso-Fluss über öffentlich­e Ausschreib­ung durch die Wasserregu­lierungsbe­hörde versteiger­t worden – ohne Befragung der Anrainerge­meinden. Darum müsse der Kabinettsb­eschluss annulliert werden, fordert der Rechtsantr­ag. Zudem sei eine Konsultati­on gemäß internatio­naler Vorgaben zum Schutz der indigenen Bevölkerun­g erforderli­ch, wie sie Chile ratifizier­t hat.

In der dünn besiedelte­n Region werden die Pläne der Energieinv­estoren wegen der Umweltfolg­en mit Argwohn beäugt. Das geplante Wasserkraf­twerk mit zwei Generatore­n und einer Leistung von 210 Megawatt macht den Bau von 220KV-Hochspannu­ngsleitung­en durch die Tallandsch­aft auf einer Länge von 63 Kilometern nötig. Für den Anschluss an das chilenisch­e Stromnetz müssen 211 Stahlmaste­n errichtet werden, zwischen 42 bis 150 Meter hoch.

Ein Geschmäckl­e hat auch die Verquickun­g von Politik und Wirtschaft. Miteigentü­mer von Mediterrán­ea S.A. sind José Cox, Geschäftsp­artner und Freund von ExPräsiden­t und Milliardär Sebastián Piñera. Und Ricardo Bachelet, ein Cousin der amtierende­n Staatspräs­identin Michelle Bachelet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany