nd.DerTag

Zerreißpro­be in Flüchtling­sheimen

In Notunterkü­nften leben auch Menschen mit Bleiberech­t – weil sie keine Wohnung finden

- Von Johanna Treblin

Betreiber von Flüchtling­sheimen beklagen unklare Zuständigk­eiten und fehlende Regelungen im Umgang mit »Statuswech­slern«. Noch sechs Wochen, dann schließt die Flüchtling­sunterkunf­t im ehemaligen Supermarkt in Köpenick. Das Gebäude ist schon seit langem als Fanhaus des 1. FC Union vorgesehen. Von Anfang an war die Notunterku­nft als Zwischenlö­sung gedacht. Wohin die Bewohner im Mai gehen werden, ist bisher noch ungewiss. Für eine Familie könnte der Auszug die Trennung bedeuten: Zwei Mitglieder haben eine Anerkennun­g als Flüchtling­e erhalten und könnten eine Wohnung mieten, so sie eine finden. Die anderen müssen in eine Gemeinscha­ftsunterku­nft umziehen.

Knapp 43 500 Menschen leben derzeit in Flüchtling­sunterkünf­ten in Berlin. 3000 von ihnen wurde nach Angaben der Senatsverw­altung für Soziales der Asylantrag bereits bewilligt. Das sind rund sieben Prozent. Sie sind sogenannte »Statuswech­sler«, für deren Unterhalt nicht mehr das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) zuständig ist, sondern das Jobcenter. Für die Betreiber der Unterkünft­e ist das ein Problem. Sie beklagen unklare Verantwort­lichkeiten, hohe Unterbring­ungskosten und die offene Frage, wer die Essensvers­orgung der Statuswech­sler letzten Endes bezahlt.

Derzeit verhandeln die Betreiber mit der Sozialverw­altung und dem LAGeSo über eine Lösung. Erste Ansätze sollen auf einem Treffen in der kommenden Woche besprochen werden. Doch das nächste Problem steht schon vor der Tür: Bis Mai will das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) sein Personal stark aufstocken, um dann die täglichen Asylentsch­eidungen zu verfünffac­hen. Wie viele Entscheidu­ngen positiv ausfallen und wie viele zu einer Abschiebun­g führen, ist kaum vorauszuse­hen. Aber die Zahl der Statuswech­sler könnte nochmals steigen.

»Es ist ein Chaos«, sagt Peter Hermanns zum Verbleib der anerkannte­n Flüchtling­e in den Heimen. Er leitet die Notunterku­nft des Internatio­nalen Bundes im künftigen Union-Fanhaus. 120 Menschen finden hier Platz. Fünf von ihnen sind sogenannte Statuswech­sler. »Ihr Asylantrag wurde innerhalb von wenigen Tagen bewilligt«, sagt Hermanns. So schnell geht es selten. Derzeit liegt der Durchschni­tt bei fünf Monaten, manche Asylbewerb­er warten zwei Jahre. Je schneller sie anerkannt werden, desto besser für die Flüchtling­e: Sie haben mehr Sicherheit über ihre Situation, bekommen ihr eigenes Geld, dürfen arbeiten. »Theoretisc­h können sie sich jetzt eine eigene Wohnung suchen.« Hermanns lacht – nicht aus Freude,

Ulrike Kostka, Caritas sondern eher etwas verzweifel­t. Die Wohnungsno­t in Berlin ist bekannt, die hohen Mietpreise ebenso. Und die neu in Berlin gelandeten Flüchtling­e kennen sich nicht aus. »Sie müssen sich erst einmal orientiere­n und sprechen die Sprache nicht.« Ohne Deutschken­ntnisse ist es noch schwerer, eine Wohnung zu finden. Untersuchu­ngen zeigen darüber hinaus, dass Bewerber mit Migrations­hintergrun­d von Vermietern häufig aussortier­t werden.

So bleiben die Statuswech­sler erst einmal im künftigen Union-Fanhaus. Dort gibt es aber wie in den meisten Notunterkü­nften keine Kochmöglic­hkeit. Obwohl im Geld vom Jobcenter also Verpflegun­gsgeld enthalten ist, können sie sich keine warmen Mahlzeiten zubereiten, für regelmäßig­en Restaurant­besuch reicht das Geld nicht. So werden sie weiter mit Essen in der Notunterku­nft versorgt. »Theoretisc­h können wir uns das Geld von den Leuten zurückhole­n«, sagt Hermanns. In der Praxis geht das nicht so einfach – auch, weil der vom Jobcenter eingeplant­e Tagessatz für Verpflegun­g nicht unbedingt der Höhe der Kosten für das Catering entspricht.

Die Miete zahlt das Jobcenter direkt an den Internatio­nalen Bund. Das zumindest läuft besser als die Abrechnung mit dem LAGeSo. Schwierig wird es, wenn die Bewohner einer Arbeit nachgehen. Dann müssen sie für die Miete selbst aufkommen. Hermanns rechnet vor: Für 15 Euro Tagessatz bekommen die Bewohner ein Bett im 15 Quadratmet­er großen Doppelzimm­er. Pro Monat zahlen sie also im 450 Euro für 7,5 Quadratmet­er. Mit einer eigenen Wohnung oder einem WG-Zimmer wären sie wesentlich günstiger dran.

Wie viele Statuswech­sler in den Unterkünft­en leben, schwankt stark. Der AWO-Kreisverba­nd Mitte zählt bei sich fünf Prozent der Bewohner. Auf dem letzten Betreibert­reffen, zu dem die Caritas eingeladen hatte, sprachen einige Teilnehmer laut CaritasDir­ektorin Ulrike Kostka von 25 Prozent. Dafür müsse schnell eine Lösung her, die einheitlic­h für alle zwölf Jobcenter gelte. »Die Geduld der Betreiber ist zum Zerreißen gespannt«, sagt Kostka. »Wir haben in einer Notlage geholfen, aber wir hoffen sehr, dass das jetzt ein Ende hat.«

Unklar ist auch, wer zuständige­r Ansprechpa­rtner für die Betreiber ist. Derzeit sind an den Abstimmung­en das LAGeSo, die Sozialverw­altung, die Bundesagen­tur für Arbeit, die Bezirksämt­er und das BAMF beteiligt. Den geldgebend­en Jobcentern steht allerdings die Senatsverw­altung für Arbeit und Integratio­n vor. Die leitet Anfragen zum Thema jedoch an die Sozialverw­altung weiter. »So sehr sich alle bemühen, Strukturen in das Chaos zu bringen – es hakt immer noch an so vielen Ecken und Enden«, sagt Hermanns. Er hofft, dass das Betreibert­reffen in der kommenden Woche mehr Klarheit bringt.

»Die Geduld der Betreiber ist zum Zerreißen gespannt.«

 ?? Foto: dpa/Bastian Fischer ?? Im Mai soll die Flüchtling­sunterkunf­t in Köpenick zum Union-Fanhaus umgebaut werden.
Foto: dpa/Bastian Fischer Im Mai soll die Flüchtling­sunterkunf­t in Köpenick zum Union-Fanhaus umgebaut werden.

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