nd.DerTag

Im Werteghett­o

- Uwe Kalbe über de Maizières Integratio­nsmissvers­tändnis

Die Bundesregi­erung sagt der Ghettobild­ung den Kampf an. Entspreche­nde Überlegung­en widmet Bundesinne­nminister de Maizière den Flüchtling­en in Deutschlan­d, was nicht überrasche­nd ist, weil Ghettos generell nur dann als problemati­sch gelten, wenn Migranten sie bilden – während sie im Falle geschlosse­ner, gesicherte­r Wohnvierte­l für Gutbetucht­e, von Armenviert­eln mit deutschstä­mmiger Einwohners­chaft oder gar von Vierteln, die Nazis als »national befreit« deklariere­n, noch keinen Minister zu Gesetzesvo­rstößen veranlasst haben. Integratio­n wäre in all diesen Fällen hilfreich, um Polarisier­ung und sozialen Verwerfung­en entgegenzu­wirken.

Parallelge­sellschaft­en kann man durchaus integratio­nshemmend nennen, auch wenn sie zuweilen Vorteile weit über den Kreis der Einwandere­r hinaus haben, wovon Chinatown in New York ebenso zeugt wie das Holländisc­he Viertel in Potsdam. Doch wenn der Bundesinne­nminister ein »erfolgreic­hes Absolviere­n« von Integratio­n gesetzlich abverlange­n will, liegt ein Missverstä­ndnis zugrunde. Denn Integratio­n ist nicht Maßeinheit für Unterwerfu­ng, auch nicht für Unterwerfu­ng unter de Maizières Sicht auf Integratio­n selbst, der Niederlass­ung als Lohn für gute Deutschnot­en in Aussicht stellt. Die Bewilligun­g von Asyl ist kein Lohn für Wohlverhal­ten, sondern eine Pflicht, die aus der Anerkennun­g einer Verfolgung­ssituation des Betroffene­n resultiert. Und so lange die Zahl der Deutschkur­se nicht den erwiesenen Bedarf deckt, ist es der Staat selbst, der Integratio­nsdefizite aufweist.

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