Freihandel im US-Wahlkampf ohne Chance
Demokrat Sanders und Republikaner Trump punkten mit protektionistischen Forderungen
Im aktuellen US-Vorwahlkampf gerät die bis vor Kurzem noch dominante Freihandelsideologie innerhalb der beiden großen Parteien stark unter Beschuss. Mit zunehmender Panik reagiert aktuell das republikanische Establishment auf den in den Vorwahlen der Partei von Sieg zu Sieg eilenden Donald Trump. Auch die konservativsten Kommentatoren, zuletzt etwa David Boaz, der Vizepräsident des Cato Institute, des derzeit einflussreichsten Think Tanks der Hardliner der »Grand Old Party«, werfen Trump einen kompletten »Bruch mit den amerikanischen Traditionen« und denen der Partei vor. Schon ob dies für die rassistischen, homophoben und sexistischen Ausfälle gilt, mit denen sich »The Donald«, wie er sich von seinen Anhängern nennen lässt, immer wieder öffentlichkeitswirksam zu Wort meldet, darf getrost bezweifelt werden. Wirtschaftspolitisch wird man den Multimilliardär dagegen in jedem Falle als Ultratraditionalisten seiner Partei begreifen müssen. Denn keinen Zweifel lässt er daran, dass er der nach wie vor fragilen US-Wirtschaft als Präsident mit einem strikten protektionistischen Programm auf die Beine zu helfen gedenkt, wie es zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg integraler Bestandteil des republikanischen Selbstverständnisses war und im Smoot-Hawley-Gesetz unter dem republikanischen Präsidenten Herbert Hoover 1930 – mitten in der großen Weltwirtschaftskrise – seinen Ausdruck fand. Insgesamt etwa 21 000 verschiedene Strafzölle waren darin festgeschrieben und die Weltwirtschaft auf Eis gelegt worden.
»Ich liebe Amerika. Und wenn man etwas liebt, beschützt man es mit allem, was man hat.« So beschreibt der mehr als wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner in seinem Buch »Time to get tough«, das als Wahlprogramm seiner Kandidatur gelten kann, seine wirtschaftspolitischen Grundsätze. Die Auflösung der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA wird darin genauso gefordert wie 45-prozentige Strafzölle gegenüber China und die Aussetzung aller Verhandlungen über weitere Freihandelsabkommen.
Zwar hat Trump die Forderungen nach Einfuhrzöllen zumindest in der Höhe reduziert, von 45 auf zuletzt 25 Prozent, im Kern aber sein protektionistisches und isolationistisches Programm im Gegensatz zu seinen parteiinternen Mitbewerbern beibehalten. Das gerade beschlossene pazifische Freihandelsabkommen TTP etwa bezeichnete er im Januar als »Angriff auf Amerikas Business«. Besondere Popularität genießt bei der Mittelschicht und auch vielen weißen Arbeitern, die Trumps Wählerklientel darstellen, die Forderung nach Strafsteuern für Unternehmen, die Jobs ins Ausland verlagern. Eine Boykottforderung von Oreo-Keksen, deren Produktion von Chicago nach Mexiko verlegt wurde, hatte zuletzt Trumps Umfragewerte nochmals steigen lassen – und dies selbst unter den traditionell die Demokraten unterstützenden Gewerkschaftern, wie die »Washington Post« berichtete.
Einen Bruch mit der auf den Freihandel setzenden Politik der vergangenen Jahrzehnte und vor allem der letzten drei Präsidenten – Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama – fordert aber nicht nur Trump, sondern auch der linke demokratische Bewerber Bernie Sanders. Und dies ebenso in Opposition zu seinem Parteiestablishment wie Trump gegenüber dem seinem. Zwar blitzten innerhalb der Demokratischen Partei in den vergangenen Jahrzehnten im Gegensatz zu den Republikanern immer wieder protektionistische Vorstellungen auf, etwa im Wahlkampf Bill Clintons 1992, als er Front gegen die Ratifizierung des NAFTA-Abkommens machte, das er dann später selbst unterschrieb, oder in den geplanten »Buy-American«Klauseln des ersten Konjunkturpakets der Regierung Obama, die dann doch gestrichen wurden. Letztlich aber setzten die Parteien in seltener Einigkeit dann doch stets die Freihandelsabkommen gemeinsam durch und um. Eine Politik, die Sanders zuletzt mehrfach als »desaströs« bezeichnete. Und auch wenn die Programme des sich selbst als »demokratischen Sozialisten« bezeichnenden Sanders und des Steuer- und Umverteilungsfeindes Trump ansonsten meilenweit auseinander liegen, so will auch Sanders die Freihandelsabkommen lieber heute als morgen abgeschafft sehen und Unternehmen notfalls zwingen, Jobs in den USA zu erhalten.
Dieser neue Hang zum Protektionismus dürfte zumindest ein Teil der Erfolgsgeschichte der beiden zunächst als aussichtslos gehandelten und so unterschiedlichen Kandidaten darstellen. Nach Umfragen des britischen »Economist« aus dem Jahre 2011 wandten sich bereits damals 44 Prozent der US-Bürger eindeutig gegen jegliche Freihandelspolitik, während lediglich gut ein Drittel diese unterstützte. Überraschenderweise waren unter den Gegnern auch 63 Prozent der Anhänger der »Tea-Party-Bewegung«, der Ultrakonservativen, die sich ansonsten gegen jegliche Staatsinterventionen aussprechen und eine wichtige zusätzliche Wählerbasis des nicht gerade als religiös geltenden Donald Trump darstellen könnten. Offensichtlich hat sich dieser Trend seitdem noch weiter verstärkt.
So war zuletzt selbst die Lieblingskandidatin der Wall Street und designierte demokratische Bewerberin um die Präsidentschaft, Hillary Clinton, zumindest ansatzweise von ihrem Freihandelskurs abgeschwenkt. Im Oktober hatte sie eine »HandelsAuszeit« von dem von ihr selbst als Außenministerin ausgehandelten TTP gefordert. Mit dem 2012 von Obama geprägten Slogan »Arbeitsplätze durch Freihandel« scheint sich zumindest aktuell kein Wahlkampf in den USA mehr machen zu lassen.