Gemeinsame Sache
Vielerorts setzen sich Flüchtlinge zur Wehr – mit Unterstützung
Die Empörung war der Meldung im griechischen Boulevardblatt »To Proto Thema« anzumerken. Linke »Randgruppen« würden immer öfter das »Flüchtlingsproblem« in »die eigenen Hände« nehmen, hieß es da – in den vergangenen Wochen hätten Aktivisten der linken Szene in Athen mehrere Universitätsgebäude besetzt und sie als Unterkünfte an Geflüchtete übergeben.
Auf Fotos sind Zelte zu sehen, die auf Fluren aufgeschlagen sind. Menschen haben sich Kochecken und private Nischen geschaffen. »To Proto Thema« empört sich, dass die Regierung noch nicht auf die »willkürliche Umwandlung einer aus Steuermitteln finanzierten Bildungseinrichtung in einem Flüchtlingslager reagiert« habe.
Die Besetzer haben ihre Aktionen nicht nur mit der »Flüchtlingskrise« begründet, die in Wahrheit eine Krise der Solidarität und der politisch gewollten Abschottung ist – Griechenland hat derzeit viele der Folgen zu tragen. Für Zehntausende, die in dem Land festsitzen, verspricht auch der umstrittene Deal mit dem Regime in der Türkei keine Hoffnung.
Immer wieder haben Geflüchtete deshalb gegen die unwürdige Behandlung protestiert, die ihnen widerfährt. Sie glauben den Ankündigungen der Behörden nicht mehr, die rund 12 000 Migranten aus Idomeni angeboten hat, sie in bessere Unterkünfte zu transportieren. Jedes Gerücht hingegen, das Aussicht auf eine Passage der Grenze Richtung Westen verspricht, mobilisiert Hunderte – und dann meist auch die Polizei. Nachrichtenagenturen behaupteten, »dass sogenannte Aktivisten immer wieder den Migranten empfahlen, Straßen zu blockieren, um die internationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen«. Die »Frankfurter Allgemeine« verstieg sich zu einem Kommentar, in dem »radikalen Migrationsideologen« vorgeworfen wurde, »die Flüchtlinge in Idomeni als Werkzeug« für Kritik an den Verhältnissen zu nutzen.
Nun ist es kein Geheimnis, dass sich linke und Menschenrechtsgruppen für Geflüchtete einsetzen. Die Grenzen zwischen humanitärer Hilfe und Aktivismus verwischen dabei tatsächlich. Vergangene Woche protestierten 300 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen auf Lesbos gegen die Behandlung von Migranten. Sie ziehen damit am selben Strang wie Kritiker der EU-Antiasylpolitik – und wie viele Flüchtlinge selbst. In den vergangenen Wochen haben unter anderem in Thessaloniki, in Idomeni und im französischen Calais Geflüchtete für eine bessere Behandlung protestiert.
In linken Kreisen wird derzeit viel darüber debattiert, wie die Kämpfe der Migranten um Bewegungsfreiheit und ein besseres Leben mit den sozialen Auseinandersetzungen um Würde, Arbeit und soziale Sicherheit verbunden werden können, die in europäischen Ländern laufen. Auch die Besetzer von Athen haben diesen Zusammenhang hergestellt. Nicht zuletzt in Deutschland hat es schon Versuche gegeben, selbst organisierte Zentren für Geflüchtete und politische Aktivisten zu besetzen. Bisher haben die Behörden dies stets umgehend unterbunden. Anders als in Athen.