Erinnern an Mut vor 100 Jahren
Jugendliche trafen sich in Jena, um Schlüsse aus der Osterkonferenz von 1916 zu ziehen
Genau 100 Jahre nach der Osterkonferenz in Jena erinnerten linke Jugendliche in Thüringen an dieses für Friedensbewegte so wichtige Veranstaltung. Sie verbinden damit auch Hoffnung für die Zukunft. 2016 ist nicht 1916. In den 100 Jahren seit 2016 hat sich die Welt, hat sich Deutschland verändert. Umso größer ist der Respekt derer, die sich am Samstag – in einem unscheinbaren Haus direkt an einer der Hauptverkehrsstraßen Jenas – versammelt haben, um an die Jenaer Osterkonferenz von vor genau 100 Jahren zu erinnern. 1916 tobte der Erste Weltkrieg. Es war das Jahr der Schlacht von Verdun, das Jahr der Schlacht an der Somme. 2016, gerade so unmittelbar nach den Anschlägen von Brüssel, tobt der Krieg gegen Terror; unter anderem. Der Krieg, sagt Jan Schneider, der die aktuelle Konferenz mitorganisiert hat, sei deshalb ebenso ein historisches wie aktuelles Thema.
Während aber heute die Einladung zur Veranstaltung öffentlich erfolgen konnte, unter anderem über das Internet, mussten die Teilnehmer der Osterkonferenz von 1916 konspirativ vorgehen. Ihnen allen und vor allem Karl Liebknecht – der zentralen Figur des Treffens – drohten Haftstrafen oder sogar noch Schlimmeres, wären sie damals von der Polizei entdeckt und aufgegriffen worden. Ottokar Luban, der auf der Konferenz als Historiker von der Lage der Linken im deutschen Kaiserreich erzählt, das sich im Kriegszustand befand, sagt deshalb mit Verweis auf genau diesen Unterschied: »Wenn man daran denkt, unter welchen Umständen damals AntiKriegsarbeit organisiert wurde, dann kommt man sich ein bisschen klein vor, wenn man heute mal zu einer Demonstration geht.«
Auch, um an den Mut derer von einst zu erinnern, wird am Samstag ein Kranz an jenem Ort niedergelegt, an dem sich Liebknecht gemeinsam mit etwa 50 anderen, oft jungen Menschen traf, um zu überlegen, was man gegen den Krieg der Völker – der auch ein Krieg der Arbeiterklassen der verschiedenen Nationen gegeneinander war – unternehmen könne. Dieser Ort – heute eine vegetarische Kneipe in der Zwätzengasse in Jena – liegt nur ein paar hundert Meter Luftlinie vom heutigen Tagungsort entfernt. Vielleicht aber zeigt mehr noch als der Kranz die Sammlung von historischen Dokumenten zur Osterkonferenz von 1916 im Internet, wie intensiv sich die heutigen Organisatoren um Schneider mit den Ereignissen von vor zehn Dekaden beschäftigt haben.
Für sie ist eine der zentralen Schlussfolgerungen aus der Vergangenheit: Vernetzen! Nicht zufällig, sagt Schneider, hätten sich verschiedene linke Jugendverbände Thüringens an der Vorbereitung der Osterkonferenz 2016 beteiligt: neben den Thüringer Falken auch die Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die
»Wenn man daran denkt, unter welchen Umständen damals Anti-Kriegsarbeit organisiert wurde, dann kommt man sich ein bisschen klein vor, wenn man heute mal zu einer Demonstration geht.«
Ottokar Luban, Historiker Jusos und die Naturfreudejugend. Für jetzt und für die Zukunft strebe man ein langfristiges Bündnis aller linken Jugendorganisationen an. Ja, mehr noch: Man hoffe darauf, dass genau eine solche Vernetzung möglich sei, um etwas gegen den Krieg in der Gegenwart zu unternehmen. Immerhin sei dieses Kontakthalten auch schon 1916 ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg der Osterkonferenz gewesen. Die damals Teilnehmenden seien auch deutschlandweit vernetzt gewesen, sagt Schneider – obwohl die technischen Möglichkeiten deutlich, deutlich schlechter waren als sie es in den Tagen von Smartphones und world wide web sind. Noch so ein Beispiel dafür, dass es zwischen 1916 und 2016 Parallelen gibt. Dass 1916 aber nicht 2016 ist.