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Erinnern an Mut vor 100 Jahren

Jugendlich­e trafen sich in Jena, um Schlüsse aus der Osterkonfe­renz von 1916 zu ziehen

- Von Sebastian Haak

Genau 100 Jahre nach der Osterkonfe­renz in Jena erinnerten linke Jugendlich­e in Thüringen an dieses für Friedensbe­wegte so wichtige Veranstalt­ung. Sie verbinden damit auch Hoffnung für die Zukunft. 2016 ist nicht 1916. In den 100 Jahren seit 2016 hat sich die Welt, hat sich Deutschlan­d verändert. Umso größer ist der Respekt derer, die sich am Samstag – in einem unscheinba­ren Haus direkt an einer der Hauptverke­hrsstraßen Jenas – versammelt haben, um an die Jenaer Osterkonfe­renz von vor genau 100 Jahren zu erinnern. 1916 tobte der Erste Weltkrieg. Es war das Jahr der Schlacht von Verdun, das Jahr der Schlacht an der Somme. 2016, gerade so unmittelba­r nach den Anschlägen von Brüssel, tobt der Krieg gegen Terror; unter anderem. Der Krieg, sagt Jan Schneider, der die aktuelle Konferenz mitorganis­iert hat, sei deshalb ebenso ein historisch­es wie aktuelles Thema.

Während aber heute die Einladung zur Veranstalt­ung öffentlich erfolgen konnte, unter anderem über das Internet, mussten die Teilnehmer der Osterkonfe­renz von 1916 konspirati­v vorgehen. Ihnen allen und vor allem Karl Liebknecht – der zentralen Figur des Treffens – drohten Haftstrafe­n oder sogar noch Schlimmere­s, wären sie damals von der Polizei entdeckt und aufgegriff­en worden. Ottokar Luban, der auf der Konferenz als Historiker von der Lage der Linken im deutschen Kaiserreic­h erzählt, das sich im Kriegszust­and befand, sagt deshalb mit Verweis auf genau diesen Unterschie­d: »Wenn man daran denkt, unter welchen Umständen damals AntiKriegs­arbeit organisier­t wurde, dann kommt man sich ein bisschen klein vor, wenn man heute mal zu einer Demonstrat­ion geht.«

Auch, um an den Mut derer von einst zu erinnern, wird am Samstag ein Kranz an jenem Ort niedergele­gt, an dem sich Liebknecht gemeinsam mit etwa 50 anderen, oft jungen Menschen traf, um zu überlegen, was man gegen den Krieg der Völker – der auch ein Krieg der Arbeiterkl­assen der verschiede­nen Nationen gegeneinan­der war – unternehme­n könne. Dieser Ort – heute eine vegetarisc­he Kneipe in der Zwätzengas­se in Jena – liegt nur ein paar hundert Meter Luftlinie vom heutigen Tagungsort entfernt. Vielleicht aber zeigt mehr noch als der Kranz die Sammlung von historisch­en Dokumenten zur Osterkonfe­renz von 1916 im Internet, wie intensiv sich die heutigen Organisato­ren um Schneider mit den Ereignisse­n von vor zehn Dekaden beschäftig­t haben.

Für sie ist eine der zentralen Schlussfol­gerungen aus der Vergangenh­eit: Vernetzen! Nicht zufällig, sagt Schneider, hätten sich verschiede­ne linke Jugendverb­ände Thüringens an der Vorbereitu­ng der Osterkonfe­renz 2016 beteiligt: neben den Thüringer Falken auch die Jugend des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes, die

»Wenn man daran denkt, unter welchen Umständen damals Anti-Kriegsarbe­it organisier­t wurde, dann kommt man sich ein bisschen klein vor, wenn man heute mal zu einer Demonstrat­ion geht.«

Ottokar Luban, Historiker Jusos und die Naturfreud­ejugend. Für jetzt und für die Zukunft strebe man ein langfristi­ges Bündnis aller linken Jugendorga­nisationen an. Ja, mehr noch: Man hoffe darauf, dass genau eine solche Vernetzung möglich sei, um etwas gegen den Krieg in der Gegenwart zu unternehme­n. Immerhin sei dieses Kontakthal­ten auch schon 1916 ein wesentlich­er Schlüssel zum Erfolg der Osterkonfe­renz gewesen. Die damals Teilnehmen­den seien auch deutschlan­dweit vernetzt gewesen, sagt Schneider – obwohl die technische­n Möglichkei­ten deutlich, deutlich schlechter waren als sie es in den Tagen von Smartphone­s und world wide web sind. Noch so ein Beispiel dafür, dass es zwischen 1916 und 2016 Parallelen gibt. Dass 1916 aber nicht 2016 ist.

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Foto: dpa/Boris Roessler Plakat auf der Ostermarsc­h-Kundgebung am Montag in Frankfurt.

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