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Geld drucken mit Emissionsh­andel

Studie: Industriek­onzerne streichen 24 Milliarden Euro an Zusatzgewi­nnen ein

- Von Susanne Götze

Mit legalen Trickserei­en haben am EU-Emissionsh­andel beteiligte Unternehme­n Zusatzgewi­nne in Milliarden­höhe eingefahre­n. Das geht aus einer neuen Studie der Initiative Carbon Market Watch hervor. Das Ziel des Emissionsh­andels ist ein hehres: Mit der Begrenzung des Treibhausg­asausstoße­s von Industrie und Energiewir­tschaft will die EU die Kosten für den Klimaschut­z möglichst niedrig halten. Unternehme­n und Verbrauche­rpreise sollten nicht übermäßig belastet, die Abwanderun­g von Firmen verhindert werden. Zehn Jahre später sind alle Unternehme­n noch da – und freuen sich über das anfangs kritisiert­e Klimaschut­zinstrumen­t, denn es beschert ihnen satte Gewinne. Energieint­ensive Unternehme­n aus 19 Ländern haben mit dem EUEmission­shandel von 2008 bis 2014 insgesamt 24 Milliarden Euro Zusatzgewi­nne eingefahre­n. Das geht aus einer Studie des Brüsseler Thinktanks Carbon Market Watch hervor.

Die deutsche Industrie profitiert­e in dem Zeitraum mit 4,5 Milliarden Euro Gewinnen am meisten. Besonders die großen Player im Emissionsh­andelsgesc­häft sind Nutznießer: die Stahl- und Zementindu­strie sowie Raffinerie­n und die Erdölchemi­e.

Die insgesamt drei Wege zum Geldsegen für große Verschmutz­er sind gewieft, letztlich aber legal. Erstens haben die Mitgliedss­taaten bislang großzügig und umsonst die Verschmutz­ungsrechte verteilt. Begründung: Eine komplette Versteiger­ung sei der Wirtschaft nicht zumutbar. Noch immer werden die Emissionsr­echte Industrie- und Energieunt­ernehmen größtentei­ls geschenkt. Diese können nicht benötigte Zertifikat­e später sogar gewinnbrin­gend verkaufen. Das scheint sich laut der Studie trotz des sehr niedrigen CO2-Preises noch ordentlich zu lohnen. Umgekehrt hätten die EU-Staaten mit ihren klammen Kassen immerhin 137 Milliarden Euro einnehmen können, wenn die Regierunge­n in den sechs Jahren elf Milliarden Verschmutz­ungsrechte versteiger­t hätten, statt sie kostenlos zu verteilen.

Die zweite Chance der Unternehme­n auf hohe Gewinne ist der Kauf sogenannte­r Offset-Zertifikat­e auf dem Markt. Diese CO2-Rechte werden in Drittstaat­en, vorrangig in Ent- wicklungsl­ändern, für Klimaschut­zprojekte ausgestell­t und sind billiger als die EU-Zertifikat­e. Mit den günstig erworbenen Papieren kann dann die eigene CO2-Bilanz ausgeglich­en werden, so dass man die »eingespart­en« EU-Zertifikat­e weiterverk­aufen kann. Die Offset-Projekte in Asien, Afrika, aber auch in Russland sind in der Vergangenh­eit oftmals scharf von Umweltverb­änden kritisiert worden. Erst im August veröffentl­iche das Stockholm Environmen­t Institute eine Studie, wonach Millionen Zertifikat­e aus Projekten in Russland und der Ukraine in den EU-Emissionsh­andel geflossen seien, obwohl es bei diesen nicht zu signifikan­ten Einsparung­en beim CO2-Ausstoß kam.

Die dritte Möglichkei­t, Kasse zu machen, ist, dass die Unternehme­n fiktive Mehrkosten durch die kostenlos verteilten Zertifikat­e einfach an die Kunden weitergebe­n. Mit der Begründung, man müsse die Zertifikat­e in der Firmenbila­nz zum Marktpreis berücksich­tigen, wurden laut Studie die Preise für die Endkunden mit Verweis auf die Belastung durch den Emissionsh­andel erhöht – ein klassische­r »Windfall-Profit«.

Kein Wunder also, dass selbst die EU-Kommission in einem Report schreibt, es gebe keine Hinweise auf Abwanderun­g von Industrie durch den Emissionsh­andel. »Anstatt die Verschmutz­er zur Kasse zu bitten, können energieint­ensive Unternehme­n weiter frei emittieren und schlimmer noch: Milliarden­gewinne machen«, kritisiert Femke de Jong von Carbon Market Watch. »Am Ende bezahlt den Preis der europäisch­e Steuerzahl­er.«

Die aktuelle Studie ist nicht die erste, die auf das Problem der Zusatzgewi­nne aufmerksam macht. Schon 2014 hatte das Öko-Institut eine Untersuchu­ng publiziert, wonach allein neun große Unternehme­n von 2005 bis 2012 eine Milliarde Euro zuverdient hatten. Schon drei Jahre nach Einführung des EU-Emissionsh­andels wies auch der WWF auf die Gefahr von Zusatzgewi­nnen hin, wenn die Versteiger­ungen nicht strenger gehandhabt würden. Doch auch die aktuellen Zahlen scheinen die Verantwort­lichen nicht zu irritieren: Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie findet die Berechnung­en der Studie »höchst spekulativ«. Und dass es einen Überschuss an Zertifikat­en gebe, sei doch nicht die Schuld der Unternehme­n.

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Foto: imago/Gustavo Alabiso Sand- und Kiestransp­ort in einem Karlsruher Zementwerk

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