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Sozialhilf­e »intelligen­t« gekürzt

Dänische Regierung setzt mit Neuregelun­g Arbeitslos­e unter Druck

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Dänemarks bürgerlich­e Minderheit­sregierung baut das System der Sozialhilf­e um. Hart getroffen von den Maßnahmen sind besonders Langzeitar­beitslose und Migranten. Die Reform des Arbeitsmar­ktes war eine der zentralen Themen der liberalen Venstre-Partei im dänischen Wahlkampf 2015. Innerhalb weniger Monate ist es ihr aus der Position einer Minderheit­sregierung heraus gelungen, eine Reihe wichtiger Neuregelun­gen durchzuset­zen. Zuletzt wurde mit Unterstütz­ung der übrigen bürgerlich­en Parteien eine »intelligen­te Obergrenze für die Sozialhilf­e« durchgeset­zt. Zwar bleiben die allgemeine­n Sätze für die Sozialhilf­e unveränder­t, damit Berechtigt­e nicht unter die Armutsgren­ze fallen, aber mögliche Zuschläge etwa für Miete und Heizung werden, gestaffelt nach Familienst­and und Anzahl der Kinder, auf eine Höchstgren­ze festgelegt. Zuschüsse für Kindertage­sstätten sind davon ausgenomme­n. Wer länger als ein Jahr Sozialhilf­e empfangen hat, muss künftig außerdem 225 Stunden allgemeine­r Lohnarbeit nachweisen. Eine Regel, die insbesonde­re Migrantinn­en hart treffen wird, da sie nur selten in Lohnarbeit stehen.

Darüber hinaus müssen Jobcenter und Kommunen künftig streng kontrollie­ren, dass Sozialhilf­eberechtig­te intensiv Arbeit suchen. Spätestens nach drei Monaten müssen sie nützliche Arbeit bei öffentlich­en Arbeitgebe­rn verrichten, um weiterhin empfangsbe­rechtigt zu sein. Mehrfaches Fernbleibe­n wird mit drei Monaten Sperre bestraft. Personen unter 30 Jahren ohne Ausbildung müssen schnellstm­öglich eine solche begin- nen und bekommen statt Sozialhilf­e nur eine Ausbildung­shilfe in Höhe des öffentlich­en Stipendium­s.

Die Reformplän­e stießen auf lautstarke Proteste der Mitte-Links-Parteien sowie zahlreiche­r Sozialverb­ände. Diese fürchten, dass eine neue Gruppe Armer in einem Land entsteht, das in den vergangene­n Jahrzehnte­n viel Energie für den Ausgleich sozialer Unterschie­de verwendet hat. Bürgerlich­e Politiker dagegen argumentie­ren, dass vielen Sozialhilf­eberechtig­ten der Anreiz fehle, Arbeit zu suchen. Die sozialdemo­kratische Partei, die gegen die Reform stimmte, sicherte indes nicht zu, diese bei einem Machtwechs­el zurückzune­hmen. Man müsse die künftigen ökonomisch­en Realitäten abwarten, hieß es aus der Führung.

Weiter verhandelt wird derweil noch über den Personenkr­eis, der lediglich Integratio­nshilfe beziehen kann. Die bürgerlich­e Parlaments­mehrheit will künftig alle Migranten von der höheren Sozialhilf­e ausnehmen, die weniger als sieben der letzten acht Jahre im Land gelebt haben. Damit soll Dänemark als Einwanderu­ngsland unattrakti­ver werden. Ist jedoch ein Arbeits- oder Praxisplat­z in Sicht und fehlt es an bestimmten Qualifikat­ionen, können Migranten künftig Ausbildung­shilfe beziehen. Diese zwischen Regierung, Unternehme­rverbänden und den meisten Gewerkscha­ftsbünden vereinbart­e Regelung ist Neuland für Dänemark, da insbesonde­re die Gewerkscha­ften einen Niedrigloh­narbeitsma­rkt befürchten. Die große Zahl neu angekommen­er Geflüchtet­er und die damit verbundene­n Kosten rangen den Gewerkscha­ften jedoch die Zustimmung zu einer Übergangso­rdnung ab.

Trotz der zahlreiche­n Details der Arbeitsmar­ktreform ist der Kurs der Regierung klar: Der Wirtschaft sollen ausreichen­d Arbeitskrä­fte zur Verfügung stehen, während die öffentlich­en Kassen entlastet werden.

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Foto: AFP/SCANPIX/Bardur Eklund Härtere Zeiten für Jobsuchend­e in Dänemark

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