Ost-West-Kluft bei der Arbeitszeit nimmt zu
LINKE fordert von Regierung gesetzliche Regelung
Die Arbeitszeiten im Osten sind seit der Wende länger als die im Westen. Zuletzt ist die Schere sogar noch weiter aufgegangen. Berlin. Ostdeutsche Erwerbstätige haben einem Bericht zufolge im vergangenen Jahr im Durchschnitt etwa zwei Wochen länger gearbeitet als westdeutsche. Im Osten seien im Jahr 2015 im Schnitt 1436 Stunden gearbeitet worden, berichtete die »Thüringer Allgemeine« am Samstag unter Berufung auf Daten des Arbeitskreises Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder. Dies waren demnach 77 Stunden mehr als die 1359 in Westdeutschland geleisteten Stunden.
Dem Bericht zufolge ist der Abstand zwischen ost- und westdeutschen Erwerbstätigen im vergangenen Jahr um weitere fünf Arbeitsstunden angewachsen. Für das Jahr 2014 wurden 1427 Stunden für den Osten und 1355 Stunden für den Westen angegeben. Die höchsten Werte gab es demnach im Jahr 2015 in Thüringen mit 1454 Stunden, gefolgt von Brandenburg mit 1444 Stunden. Die niedrigsten Werte wurden dem Bericht zufolge für Nordrhein-Westfalen und das Saarland mit jeweils 1335 Stunden ermittelt.
Als Grund für die Unterschiede wurden vor allem strukturelle Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt genannt. »Gerade in Ostdeutschland wird unfreiwillige Teilzeitarbeit aufgestockt bis hin zu Vollzeitstellen, weil die Betroffenen Interesse an einem höheren Einkommen haben«, sagte der stellvertretende Leiter des Ifo-Instituts in Dresden, Joachim Ragnitz. Zudem seien nach Einführung des Mindestlohns Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen mit längeren Arbeitszeiten umgewandelt worden.
Angesichts der zunehmend ungleicher Jahresarbeitszeiten zwischen Ost und West hat die Vizevorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, die Regierung zum Handeln aufgerufen. »Sie muss dafür sorgen, dass wir in Ost und West gleiche Verhältnisse haben«, sagte Zimmermann am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. »Wir haben immer noch keine soziale Einheit, dass kann 25 Jahre nach dem Mauerfall nicht sein.« Dass es diesen Unterschied zwischen alten und neuen Bundesländern gebe, habe sie nicht überrascht, sagte Zimmermann. »Entsetzt hat mich aber, dass die Entwicklung zugenommen hat.«
Die Arbeitsmarktexpertin der LINKEN rief Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auf, durch Festlegungen im Arbeitszeitgesetz zwischen Ost und West Gleichheit herzustellen, und kritisierte, dass in den ostdeutschen Bundesländern die ohnehin schwächer ausgeprägte Tarifbindung weiter abnehme: »Vielerorts haben wir tariffreie Zonen.« Zudem nehme der Trend zu Minijobs und Teilzeitarbeit zu.
Als Grund für die ungleichen Arbeitszeiten sieht Zimmermann nach der Wiedervereinigung getroffene Entscheidungen: »Im Osten wurde wegen der damals geschlossenen Tarifverträge generell mehr gearbeitet.«.