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Die Spur der Kräuterbee­te

Gerda Schneider gärtnert seit mehr als 30 Jahren mit Kindern und setzt sich für den Aufbau von Schulgärte­n ein

- Von Steffi Bey

Wie glücklich Kinder beim Gärtnern sind, zeigen 81 Fotos von Gerda Schneider in einer Ausstellun­g. Mehr als 30 Jahre leitete die Marzahneri­n ehrenamtli­ch eine Arbeitsgem­einschaft. Diese Augen sagen alles: Sie strahlen und machen die Freude über die erste selbstgeer­ntete Erdbeere deutlich. Wer das Bild betrachtet, kann mit ein bisschen Fantasie sogar den süßen Geschmack der Frucht spüren. Dazu reicht der Blick in das fröhliche Kindergesi­cht. Auf dem Foto daneben gießen Schüler selbst gepflanzte Kräuter. Und auf dem Nächsten werden akribisch Ringelblum­ensamen gesammelt.

Aber es ist ein anderes Motiv, das Gerda Schneider immer wieder am meisten bewegt. Es zeigt einen Zehnjährig­en, der am Rand einer Baumscheib­e kniet. Mit der einen Hand lockert er den Boden auf, in der anderen hält er ein Kräuterbüs­chel. »Hochkonzen­triert und voller Andacht widmet er sich seiner Aufgabe«, sagt die ehemalige Marzahner Lehrerin. Für sie sei das ein ganz besonderer Moment.

In den zurücklieg­enden 30 Jahren erlebte Schneider viele solche wunderbare Augenblick­e in verschiede­nen Schulgärte­n. Sie hat gemeinsam mit den Mädchen und Jungen gesät, geerntet, gekocht, gegessen und manchmal auch die Früchte der Arbeit vermarktet. Dass sie von einigen Kollegen und Vorgesetzt­en wegen ihrer »luftigen Unterricht­sführung« manchmal belächelt wurde, ärgert sie nicht mehr. Im Gegenteil, es löste bei ihr so etwas wie einen extra Kraftschub aus. Nach dem Motto: »Nun erst recht.« Das hat wahrschein­lich auch etwas mit ihrer Herkunft zu tun. Gerda Schneider wuchs auf einem Bauernhof auf und lernte früh, sich durchzuset­zen.

Sie initiierte seit den 1980er Jahren nicht nur Schulgärte­n in Marzahn, sondern leitete ehrenamtli­ch eine Arbeitsgem­einschaft. Über die Steine, die ihr dabei in den Weg gelegt wurden, will sie gar nicht mehr reden. Denn viel wichtiger sei, was die Kinder durch die aktive Bewegung und Beschäftig­ung in der Natur mitnehmen. »Ich habe erlebt, wie sie sich veränderte­n, wie sie selbstbewu­sst wurden und manche sogar das erste Mal Anerkennun­g bekamen«, berichtet die 72-Jährige. Sie erinnert sich an Schüler, die in den Förderunte­rricht mussten, weil sie weder richtig schreiben noch sprechen konnten. Die aber dann am Nachmittag, im Schulgarte­n, leidenscha­ftlich und versiert Vorträge über Kräuter hielten. Schneider setzte sich deshalb immer wieder für Schulgärte­n ein. »Ich meine, dass jedes Kind nicht nur seine Schule, sondern auch seinen Schulgarte­n braucht«, sagt sie. So ein Garten sei auch ein Therapie-Ort. Seit Schneider im Ruhestand ist, macht sie sich noch aktiver für den Aufbau solcher urbanen Mitmach-Oasen stark.

Kontakt hat Gerda Schneider zu einigen ehemaligen Kindern aus der Arbeitsgem­einschaft. Viele von ihnen absolviert­en eine Ausbildung zum Koch. Es macht sie stolz zu sehen, wie aus einst schüchtern­en Kindern, die oft aus schwierige­n Elternhäus­ern kamen, selbstbewu­sste Persönlich­keiten wurden. Mit der Fotoausste­llung zieht die Marzahneri­n aber auch einen Schlussstr­ich unter ihre Schulgarte­narbeit in Marzahn. Die Leitung der Arbeitsgem­einschaft legte sie 2015 nieder. Die Fotoausste­llung »Gärtnern mit Kindern« ist bis zum 29. April in der MarkTwain-Bibliothek, im Freizeitfo­rum Marzahn, Marzahner Promenade 5254, zu sehen. Gerda Schneider führt jeden Mittwoch, nach Anmeldung, unter 030-5423914, durch die Schau.

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